Die Lichtinstallation in Ditzingen betont die Treppe zur Konstanzer Kirche. Zwölf Lichtstrahlen ahmen die Form des Kirchturms nach. Foto: factum/Granville

Sie sind groß, und sie setzen einen Akzent auf den Plätzen, auf denen sie aufgestellt sind. Die Lichtkunstwerke „Porticus 3.0“ und „Terminal“ beeindrucken und setzen Assoziationen frei.

Ditzingen/Gerlingen - Man kann sie fantastisch finden oder belanglos, man kann sie als temporären Spielplatz betrachten oder als mystische Theaterkulisse (kommen etwa gleich Schillers Räuber um die Ecke?). Man kann damit auch ganz große Themen assoziieren wie Nahtod-Erfahrung oder Himmelsnähe. Eines ist jedenfalls gewiss: die beiden Lichtkunstwerke, die derzeit in Ditzingen, „Porticus 3.0“ von Erik Mátrei, und in Gerlingen, „Terminal“ von Karolina Halatek, aufgestellt sind, regen zum Nachdenken an. Vor allem, wenn man sie bei Dunkelheit aufsucht. Sie lösen vieles aus: Gedanken, Diskussionen, Interaktionen, Fotosessions. Oder auch nur belustigende Spiele und Turnübungen.

Lichtstrahlen treffen sich am Himmel

Ditzingen, die Treppe vom Gemeindehaus zur Konstanzer Kirche. Fünf Stufen, Absatz, wieder fünf Stufen und nochmals vier. Das sollte man sich merken, will man beim Aufwärtsgehen nicht stolpern. Denn die Stufen sind im Dunkeln. Sechs starke Lichtstrahlen leuchten vom Boden aus schräg in den Himmel. Sie bilden die Form des Kirchturms nach und treffen sich in einem Punkt etwa auf Höhe der Kirchturmspitze. Nebel wabert. Je nach Wind ist der Eindruck unterschiedlich.

Die Plateaus mit den starken LEDs sind begehbar. Wer in die Lichtstrahlen tritt, wird von unten angestrahlt. Unheimlich erscheinende Gesichter entstehen, Nasen bekommen lange Schatten. Die Beleuchteten nehmen das selbst nicht wahr. Sie registrieren nur die verwunderten Reaktionen daneben stehender Betrachter. Und staunen, wenn man die Standorte tauscht: Das Erscheinungsbild eines Menschen ändert sich schlagartig. Erschreckend oder amüsant. Foto- und Videokameras dokumentieren das Agieren mit dem Kunstwerk.

Gerlingen, Rathausplatz. Auf der großen grauen Fläche steht beim Glaskasten am Tiefgaragenabgang und dem Rathaus eine Röhre, drei Meter Durchmesser, sechs Meter lang. Außen weiß und innen weiß. Beeindruckend bei Tag und bei Nacht. Bei Nacht ist der Kontrast frappierend: Außen ist es um die Röhre herum dunkel, innen gleißend hell, schattenfrei. Durchgehen heißt: vom Dunkel ins Licht und wieder ins Dunkel. Auch das setzt Gedanken frei. Der Renaissance-Künstler Hieronymus Bosch hielt das Gehen durch eine Lichtröhre schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts in seinem Bild „Aufstieg der Seligen“ fest.

Immer ist jemand da gewesen

Die Künstlerin Karolina Halatek erwähnt dies an einem Abend, an dem es mit 50 Zuhörern auch um Nahtod-Erfahrungen geht, sehr wissenschaftlich, sehr theologisch. „Ich hatte nicht die Intention, Nahtod-Erfahrung darzustellen“, sagt die 31-Jährige, „ich wollte ein Werk schaffen, das man erfahren kann.“ Schon zehn oder elf Mal sei sie seit der Eröffnung abends da gewesen – aber nie alleine, weil immer jemand da war. Sie wollte, dass sich die Menschen mit dem Werk auseinander setzen. Auch wenn dieses auf den ersten Blick wie ein vergessenes Kanalrohr aussieht. Oder wie ein „Kernspin für Elefanten“, wie ein Passant sagt. „Ich bin total happy, wenn ich sehe, wie die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und in verschiedenem Alter das Werk nutzen“, sagt Halatek.

Nicht nur wegen all dieser unterschiedlichen Wirkungen ist Simone Vöhse von der Freien Kunstakademie Gerlingen von Karolina Halateks Werk begeistert. Es sei eine „richtige Bereicherung“ für die Stadt und die Kulturlandschaft. Es lade zur intensiven Auseinandersetzung ein, und es biete Gegensatz und Spannung: Diese entstehe aus der schieren Größe des Materials und der Immaterialität des Lichts. Dessen Wirkung steht im Vordergrund. Die Arbeit locke den Betrachter an, eigene Erfahrungen damit zu machen, nicht nur mit der schattenlosen Ausleuchtung. Kaum einem sei aber bewusst, so Vöhse, wie man sich beim Durchgehen am Abend exponiere. Simone Vöhse: „Eine quirlige junge Künstlerin hat ein Werk von räumlicher und thematischer Größe geschaffen.“

Die Zukunft der Lichtkunstobjekte

Ausstellungsdauer
– Das Lichtkunstfestival der Region Stuttgart geht am Sonntag, 9. Oktober, zu Ende. In Gerlingen und Ditzingen wird aber darüber nachgedacht, ob und wie die Kunstwerke länger ausgestellt bleiben können.

Gerlingen
– Es ist schon entschieden, dass das „Terminal“ von Karolina Halatek auf jeden Fall bis Ende des Monats auf dem Rathausplatz stehen bleiben wird. In dieser Zeit soll darüber beraten werden, ob und wie die Installation weiter in Gerlingen verbleibt. Das A und O sei der Standort, so eine Sprecherin der Stadt. Auf dem Rathausplatz könne es zumindest bei den großen Veranstaltungen nicht stehen bleiben.

Ditzingen
– „Porticus 3.0“ von Erik Mátrai, das vor der Konstanzer Kirche steht, sei ein temporäres Kunstwerk, das täglich betreut werden müsse, sagt ein Sprecher der Stadt. Die bisherige Ausstattung sei nicht für eine Dauerinstallation geeignet. Man habe den Künstler gebeten, sich über eine dauerhafte Ausführung Gedanken zu machen. Dann könne die Verwaltung im Gemeinderat entsprechend berichten.