In Stuttgart sind am Samstag Menschen auf die Straße gegangen, um auf die Lage in Belarus aufmerksam zu machen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Seit den Präsidentschaftswahlen protestieren die Menschen in Belarus gegen vermuteten Wahlbetrug. Weltweit solidarisieren sich die Menschen mit der Protestierenden – auch am Samstagnachmittag in Stuttgart.

Stuttgart - Als die elfjährige Amelie an das Mikrofon tritt, ist sie sichtlich berührt: Unter Tränen bittet sie die Passanten auf der Königstraße, für einen kurzen Moment innezuhalten. „In Belarus werden Menschen geschlagen, weil sie für ihre Freiheit demonstrieren. Ich finde, das sollte jeder hier wissen“, sagt die junge Weißrussin mit tränenerstickter Stimme. Frenetisch beklatscht die Menge ihr Plädoyer, während sich einige verstohlen über die Augen wischen.

Es sind emotionale Momente wie dieser, die am Samstagnachmittag die Proteste der Weißrussen in Stuttgart begleitet haben: Auf der Königstraße haben sich erneut rund 50 Demonstranten versammelt, um gegen Präsident Aljaksandar Lukaschenko zu demonstrieren. Der langjährige Machthaber steht seit Tagen in der Kritik, weil er die kürzlich abgehaltene Präsidentschaftswahl manipuliert haben soll und seitdem auf brutale Weise versucht, jegliche Proteste im Keim zu ersticken.

Menschen sehen Oppositionsführerin als Wahlsiegerin

„Er führt einen Krieg gegen das eigene Volk“, ist Mitorganisatorin Aliona Dries überzeugt. Auch deshalb habe sie eine Stuttgarter Unterstützergruppe für die weißrussischen Demonstrationen gründen wollen. „Aus einer kleinen Whatsapp-Gruppe von drei Leuten wurden innerhalb weniger Wochen hundert“, berichtet sie stolz. Mit Flyern und Onlineaufrufen macht die Gruppierung seitdem auf sich aufmerksam, auch die Gründung eines Vereins haben die Organisatoren ins Auge gefasst.

Vorerst stehen für die Demonstranten aber andere Ziele im Vordergrund: Kaum eine Rede kommt ohne die Erwähnung von Swjatlana Zichanouskaja aus. Die Oppositionelle gilt auch den Belarussen in Stuttgart als eigentliche Wahlsiegerin, auf sie als Lukaschenkos Nachfolgerin scheinen sich alle Demoteilnehmer einigen zu können.

Hoffnung auf eine politische Wende

Ob es dazu kommen wird, liege nun auch daran, wie die Welt auf die Bilder aus Weißrussland reagiere, so Dries. „Wir machen uns in Stuttgart dafür stark, dass mehr Leute über die Situation in Weißrussland Bescheid wissen.“ Die Hoffnung aufzugeben, stehe für sie ohnehin nicht zur Debatte: „Eigentlich hatte ich schon für den Wahlabend eine Flasche Sekt kaltgestellt“, sagt die junge Frau aus Minsk. Im Kühlschrank stehe der noch immer – bis zu dem Tag, an dem Lukaschenko den Präsidentenpalast endgültig verlassen muss.