Eine Initiative zeigt, dass es nicht nur Montagsspaziergänger gibt, sondern auch viele Unterstützer der Coronamaßnahmen. Foto: /Simon Granville

„Unsere Stadt hat Querdenken satt“: Unter diesem Motto veranstaltet eine Initiative am Samstag eine Kundgebung auf dem Ludwigsburger Marktplatz.

Ludwigsburg - Fast 6000 Montagsspaziergänger gegen die Coronamaßnahmen waren zu Wochenbeginn im Beritt des Polizeipräsidiums Ludwigsburg unterwegs, das die Landkreise Ludwigsburg und Böblingen umfasst. Allein in Ludwigsburg waren es 990 Teilnehmer, in Vaihingen/Enz fast 700.

Dort gab es am Montag allerdings auch eine – im Gegensatz zum „Spaziergang“ angemeldete – Gegendemo, der sich 50 Menschen anschlossen. Und auch in Ludwigsburg will eine Initiative von Grünen, SPD und deren Jugendorganisationen, Linke, Teachers for future und anderen Organisationen einen Gegenakzent setzen: mit der Kundgebung „Unsere Stadt hat Querdenken satt“, die am Samstag, 22. Januar, um 15 Uhr auf dem Marktplatz stattfinden soll – unter Coronaregeln und mit einer Menschenkette, bei der 1,50 Meter lange Schals den vorgeschriebenen Abstand gewährleisten sollen.

„Den Diskurs aus den sozialen Netzwerken herausholen“

„Es ist wichtig, den Diskurs aus den sozialen Netzwerken herauszuholen und zu zeigen, dass es zwar auf der einen Seite Menschen gibt, die sich nicht mit den Coronaverordnungen arrangieren können, auf der anderen Seite aber viel mehr Menschen, die sie akzeptieren, auch wenn es schwer fällt“, sagt Silke Gericke. Die Ludwigsburger Grünen-Landtagsabgeordnete hat die Kundgebung initiiert, übers Wochenende schlossen sich viele Unterstützer an. „Die enormen Summen, die Bund und Länder in die Corona-Unterstützung investieren, könnten wir zum Beispiel ins Gesundheitssystem stecken, wenn mehr Menschen die Maßnahmen mitgetragen hätten und wir gar nicht erst in die heutige Lage gekommen wären.“ Sie freue sich, dass auch Oberbürgermeister Matthias Knecht am Samstag zu sprechen vorhabe.

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Knecht verfolgt die montäglichen Demonstrationen schon länger mit Sorge. Auch deshalb begrüßt er die neue Initiative. Bei der Rathausspitze gebe es „eine hohe Offenheit“ für deren Aktion. Er hätte sich gewünscht, dass sich eine noch breitere politische Basis – auch die anderen Fraktionen im Gemeinderat sowie die weiteren Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis – zu der Demo geselle, sagt er. „Vielleicht wird daraus aber eine kleine Tradition und das ist dann an den kommenden vier oder fünf Samstagen der Fall“. Dazu, dass sich die Stadtgesellschaft spalte und die Thematik zusätzlich befeuert werde, dürfe der Protest aber nicht führen, sagt Knecht. So wichtig es sei, klar zu artikulieren, dass große Teile der Gesellschaft die Entscheidungen der Politik mittragen und Grundrechte nicht gefährdet sehen, so wichtig sei es auch, diejenigen, die Vorbehalte – auch gegen die Impfung – hätten, nicht zu verteufeln. „Es muss ein Signal ausgehen, dass wir diese Menschen zurückgewinnen wollen.“

Viele Unterstützer machen mit

Da die Versammlung rechtzeitig angemeldet wurde, muss sie nach Auskunft der Stadt nicht mehr extra genehmigt werden, alle Rahmenbedingungen sind geklärt. Es gelten die „normalen“ Coronaregeln: Können eineinhalb Meter Abstand nicht eingehalten werden, gilt Maskenpflicht.

Zu den Unterstützern der Initiative zählt auch der Jugendgemeinderat. „Die laute Minderheit“, sagt dessen Pressesprecher Kevin Dolic, „soll sehen, dass die Jugend leidet. Ich möchte nicht noch einmal eine Schulschließung erleben, ich war letztes Jahr monatelang im Homeschooling“, sagt der Kursstufenschüler am Goethe-Gymnasium. „Es war schrecklich.“ Daher sei es dem Jugendgemeinderat wichtig, am Samstag sichtbar zu sein und zu zeigen, dass der Mensch den Verstand besitze, sich an Regeln zu halten. „Eines Tages werden wir mit der Bildung, die wir jetzt ergattern können, zurecht kommen und im Arbeitsleben stehen müssen. Und die Kinder der lauten Minderheit auch.“

Auch in Steinheim gibt es eine Mahnwache

Eine Aussage, die Wasser auf den Mühlen von Marcus Kaempffer ist, dem Vorsitzenden des Remsecker Gesamtelternbeirates, der ebenfalls zu den Unterstützern zählt. Es sei schon so vieles auf dem Rücken der Schüler ausgetragen worden, „da müssen wir uns auch als Eltern hinstellen, wenn die Hirntrompeten unterwegs sind und laut und teils aggressiv den Eindruck vermitteln, sie seien die Mehrheit. Das darf die Demokratie sich nicht gefallen lassen“, findet er. Und es könne auch nicht sein, dass – wie in Remseck geschehen – Stuttgarter Querdenker, deren Montagsspaziergang verboten worden sei, per Telegram dazu aufriefen, stattdessen bei der geplanten Neujahrsbrezel-Verteilaktion des Remsecker Oberbürgermeisters „vorbeizuspazieren“ – der die Aktion daraufhin abgesagt habe. Auch Kreis-Juso-Chef Colin Sauerzapf sagt: „Es ist wichtig, dass wir jetzt miteinander ein Zeichen setzen.“

Nicht nur in Vaihingen oder Ludwigsburg formieren sich Gegenstimmen: Am Freitag um 18 Uhr ist eine weitere Mahnwache in Steinheim geplant. Das Motto lautet „Steinheim zeigt Gesicht – auch mit Maske“, die Initiative geht unter anderem von drei Stadträten der Freien Wähler aus. Die Genehmigung ist allerdings noch nicht erteilt – eine Rückmeldefrist für beteiligte Behörden läuft laut Auskunft des Landratsamtes noch.