Gemeinsam durch Nacht und Regen: Kerstin Ott, Eloy de Jong und ihre Fans haben auf dem Kulturwasen gefeiert. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Mit ihren Hits brachte Kerstin Ott die LGBT-Bewegung in die Faschingszelte. Am Sonntagabend singt sie beim Kulturwasen des SWR – und es regnet, ganz ohne Regenbogen. Mit dem Niederländer Eloy de Jong im Vorprogramm sorgt sie für Stimmung, gemessen an den Umständen nicht ohne Erfolg.

Stuttgart - Manches haben Kerstin Ott, geboren 1982 in Westberlin, und Eloy de Jong, geboren 1973 in Den Haag, gemein. De Jong gehörte bis 1998 der niederländischen Boygroup Caught In The Act an und war einer der ersten Popmusiker dieser Szene, der sich als homosexuell outete; Kerstin Ott kehrte soeben von einem Urlaub zurück, den sie gemeinsam mit ihrer Ehefrau in den Bergen verbrachte. Beide singen sie Schlager. Eloy de Jong kam 2018 mit seinem ersten deutschsprachigen Album „Kopf aus – Herz an“ an die Spitze der deutschen Schlagerhitparade, Kerstin Ott stürmte sie schon zwei Jahre zuvor. Und beide singen sie auf dem Cannstatter Wasen zum Playback.

Mit Disco-Kugeln gegen die Krise

Hier allerdings hören die Ähnlichkeiten auf. Eloy de Jong gibt den klassischen Schlagerentertainer, bietet muntere Melodien, wie man sie seit Jahrzehnten kennt, strahlt routinierte Zuversicht aus. „Auf das Leben – fertig – los!“ heißt sein jüngstes, sehr erfolgreiches Album; sein Hit „Barfuß im Regen“ passt gut zum Wetter und ist gerade auf Platz neun der Schlagercharts gesunken. De Jong singt eine halbe Stunde, er verlässt die Bühne, geht umher zwischen jenen, die in den Holzlogen feiern, seine Fans umringen ihn in respektvollem Abstand. Droben kreisen bunte Spots, und in manch einem Auto, das drunten im feiernden Fuhrpark steht, sieht man eine mitgebrachte Disco-Kugel, die sich auf dem Armaturenbrett dreht. „Wir schaffen das nur zusammen!“ ruft Eloy de Jong und meint die Krise.

In der Pause spielt der DJ die Schlager anderer Interpreten. Pärchen tanzen, regenbogenfarbene Regenschirme drehen sich. Dann strömen alle, die nicht in ihrem Auto bleiben müssen, zur Bühne: Kerstin Ott beginnt ihr Konzert mit „Regenbogenfarben“, dem Lied, das sie mit vor zwei Jahren mit Helene Fischer sang. „Die immer lacht“, jener Song, der der gelernten Malerin und Lackiererin 2016 den Durchbruch brachte, folgt später erst. „Wegen diesem Lied bin ich heute hier“, sagt Kerstin Ott. „Ich bin noch immer sehr stolz darauf, dass ich es geschrieben habe.“

Lachen erlaubt, Hupen verboten

„Die immer lacht“ sang Kerstin Ott erst zur akustischen Gitarre, später wurde das Stück als elektronischer Schlagerpop produziert und remixed und war noch vor dem Lockdown auf jeder Faschingsparty zu hören. Ein Ohrwurm mit eingängiger Melodie und einem seltsam traurigem Text sorgte dort für ausgelassene Stimmung. Auch auf dem Cannstatter Wasen funktioniert das nun sehr gut – obschon sich einiges dagegen stemmt.

Der Regen bleibt. Die Sicherheitsauflagen werden strenger umgesetzt als noch im Sommer, durch das Betätigen der Hupe darf der Jubel nicht mehr ausgedrückt werden, der Nachbarschaft zuliebe. Und auch Kerstin Otts Konzert fällt sehr kurz aus. Neun Stücke ihrer drei Erfolgsalben singt sie, als Zugabe noch einmal „Regenbogenfarben“, zuletzt „Ich geh meinen Weg“. Sie gibt sich sympathisch, wenn auch auf Distanz, plaudert familiär, ist ganz fei von Allüren. „Das ist mein erster Auftritt seit März“, verrät sie ihren Fans. Eben hatte sie noch Lampenfieber, nun es ist verflogen. Corona war auch für Kerstin Ott ein Schock. „Aber das Leben ist trotzdem sehr lebenswert“, sagt sie und winkt ihren Freunden zu. „Gerade dieser Abend zeigt es.“