Kühe können etwas, was Menschen nicht können. Foto: dpa/Roland Weihrauch

Der Methanausstoß von Kühen und Rindern rückt aufgrund der Klimakrise in den Fokus. Ein neuer Futterzusatz könnte helfen. Was ein Hohenheimer Kuhernährungsexperte dazu sagt.

Hohenheim - Rindviecher rülpsen und pupsen Methan in die Luft. Dieses Gas ist laut Umweltbundesamt 25-mal klimaschädlicher als das inzwischen allseits bekannte CO2. Der Methangehalt in der Atmosphäre steigt derzeit so rasch wie seit den 1980er Jahren nicht mehr. 40 Prozent der Methan-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft, durch die Haltung von Wiederkäuern, zuvorderst Rindern. Es zeichnet sich nicht ab, dass die Zahl der Kühe und Rinder sinkt, im Gegenteil. Bis 2050 könnte sich der Bedarf an Fleisch verdoppeln.

Es könnte gut sein, dass die EU in diesem Jahr einen Futterzusatz zulässt, der die Rülpser und Pupser der Rinder weniger klimaschädlich machen könnte. Royal DSM, ein Unternehmen aus den Niederlanden, hat Bovaer entwickelt, es soll den Methanausstoß einer Milchkuh um 30 Prozent senken, bei Rindern, die als Fleisch auf den Teller kommen, sogar um 90 Prozent.

Löst der Zusatzstoff das Problem mit dem Methan?

Was sagt dazu einer, der an der Uni Hohenheim an Kühen forscht? Markus Rodehutscord ist Professor im Fachgebiet für Tierernährung. Die Kühe dort haben Löcher im Bauch, durch die die Wissenschaftler in den Pansen des Tiers greifen können. Die Kühe sind trotzdem fidel, sie sehen einfach gewöhnungsbedürftig aus. Die Hohenheimer gehen freilich ebenfalls der Frage nach, wie sich der Methanausstoß der Kuh reduzieren ließe. Hält Rodehutscord den Futtermittelzusatz Bovaer für eine Lösung des Problems? In Hohenheim habe man bisher keine Berührungspunkte mit dem Zusatz gehabt, sagt der Professor. In der Literatur habe er das Ganze aber verfolgt. Offenbar werde Bovaer durchaus Potenzial zugeschrieben, es gebe eine gewisse Euphorie.

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Er stelle sich allerdings sofort die Kostenfrage. Wenn der Bauer dadurch höhere Ausgaben habe, bliebe er vermutlich auf den Kosten sitzen. „Ich sehe im Moment nicht, wie da eine Honorierung des Einsatzes des Futterzusatzstoffs erfolgen kann“, sagt er. Auch wenn er nicht zu negativ klingen wolle, so teile er doch manche Skepsis, auch weil noch weitergehende Untersuchungen fehlten. „Ich mahne zur Vorsicht bei einer vorschnellen Überinterpretation.“

Wissenschaftler: Ein Zielkonflikt

Was Rodehutscord wichtig ist: Es sei ein Zielkonflikt. „Der Wiederkäuer soll ja seine Stärke ausleben.“ Denn Kühe sind wahre Wundertiere – wenn sie auf die Weide dürfen. Sie können Gras und sogenanntes Grünland zu Milch und Fleisch veredeln. Eine Gabe, die dem Menschen abgeht und von der er durch die Weidetiere profitiert. Nur stoßen ausgerechnet Kühe, die draußen weiden, mehr Methan aus als Rinder im Stall. Und die Stallkühe fressen das, was auch dem Menschen schmeckt: Getreide.

Es ist eine wahrlich verzwickte Situation. „Man muss schauen, dass man nicht an der falschen Stelle ansetzt“, sagt der Hohenheimer Wissenschaftler. Denn das eigentliche Problem seien doch die fossilen Energien. „Ich möchte den Methanausstoß nicht verharmlosen und erst recht nicht die Klimawirkung“, stellt er klar. Allerdings sei Methan als Abfallprodukt dieses Veredelungsprozesses das kleinere Übel. Ein Großteil der globalen Bevölkerung sei vom Fleischverzehr abhängig, nicht aus Luxus, sondern aus Not. Anders als in Mitteleuropa. „Wir haben hier fast keine Restriktionen, uns alternativ zu ernähren“, sagt er.

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Rotalge in der Literatur ein Thema

Ändert nichts an der Herausforderung, den Methanausstoß in den Griff zu bekommen. Denn um die Klimaziele zu erreichen, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Deshalb befassen sich auch die Hohenheimer mit Möglichkeiten, die den Ausstoß der Kuh reduzieren könnten. Seit zwei, drei Jahren sei hier die Rotalge zunehmend im Fokus, sagt der Professor. Sie gedeihe vor allem im pazifischen Ozean, die wissenschaftliche Literatur würde starke Effekte beschreiben. „Wir müssen die Gesamtbewertung abwarten“, sagt er. In der Literatur diskutiert werde nämlich zudem, ob die Rotalgen unter Umständen krebserregende Stoffe enthalten. Bisher haben die Hohenheimer mit den Rotalgen nur im Reagenzglas experimentiert. Die Tests direkt an der Kuh sollen demnächst folgen.

Übrigens: Auch Weiden sind unterschiedlich klimaschädlich. Wachsen auf ihnen Hornklee, Wiesenkümmel, Spitzwegerich und Kleiner Wiesenknopf, ist der Methanausstoß der weidenden Kühe geringer. Leguminosen, wie all die Pflänzchen heißen, haben diesen Effekt. Allerdings würden sie bei Weitem nicht dieselbe senkende Wirkung erzielen wie jener nun diskutierte Zusatzstoff aus den Niederlanden.