Sylt aus der Vogelperspektive (2014): 38 Kilometer lang, 12,6 Kilometer breit, 99,14 Quadratkilometer groß, höchste Erhebung 52,5 Meter hoch (Uwe-Düne), rund 18 000 Einwohner. Foto: dpa

Herbst- und Winterstürme lassen Sylt immer weiter schrumpfen. Um eine weitere Erosion zu verhindern, werden jedes Jahr Millionen Kubikmeter Sand an die Strände und vor die nordfriesische Insel aufgespült.

Westerland - Deutschlands größtes Eiland ist wie keine andere friesische Insel den Naturgewalten ausgesetzt. Wie ein Wellenbrecher trotzt Sylt Stürmen und Sturmfluten und schützt so die Küste Schleswig-Holsteins. Was die Herbst- und Winterstürme an Sedimenten von Sylts Westküste mit sich reißen, muss allerdings ersetzt werden. Sonst würde von der malerischen Insel im Wattenmeer nicht viel übrig bleiben.

Der Blanke Hans

Dass so viel Sand abgetragen wird, liegt an Sylts exponierter Lage. Jahr für Jahr nagt der „Blanke Hans“ an Strand und Dünen. „Von den Nordseeinseln ist Sylt nicht nur die größte, sondern auch die am meisten gefährdete“, erklärt Hendrik Brunckhorst, Sprecher des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) in Husum.

Die Meereserosion ist gewaltig: Pro Jahr werden rund eine Million Kubikmeter Sand fortgespült. Das sind etwa 50 000 Lkw-Ladungen, die zwischen April und Oktober wieder an den Stränden sowie am Vorstrand eingebracht werden müssen.

Sandpuffer und Wellenbrecher

Jedes Frühjahr fahren Mitarbeiter des Landesbetriebs die dem offenen Meer zugewandte Westseite der Insel ab und dokumentieren die Sturmschäden. Bei starken Winden, vor allem wenn sie mit Sturmfluten einhergehen, warte der Landesbetrieb nicht bis zum Frühjahr, um Schäden festzustellen, sagt LKN-Direktor Johannes Oelerich.

„Aus Küstenschutzsicht haben wir weder durch Sebastian noch durch Herwart (Herbststürme im September/Oktober 2017, d. Red.) unerwartete Schäden gehabt“, so Oelerich. „Ein Teil des aufgespülten Sands wird bei solchen Stürmen immer abgetragen. Aber das ist gewollt, dafür ist der Sandpuffer da.“

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Als Folge der schweren Sturmflut im Jahr 1962 wurde ein „Generalplan Küstenschutz“ entwickelt. Da alle bisherigen Maßnahmen wie Buhnen (Holzpfähle, die in langen Reihen rechtwinklig zur Küste eingeschlagen werden), Tetrapoden (tonnenschwere Blocksteine aus Beton) sowie Mauern aus Stahl und Stahlbeton relativ wirkungslos geblieben waren, begann man 1972 damit, Unmengen von Sand an den Strand aufzuspülen. Da vor allem die aufgeschütteten Sedimente vom Meer abgetragen werden, bleibt die natürliche Küste und die Dünenlandschaft weitgehend intakt.

Effektiver Schutz gegen Erosion

Die Sandaufspülungen sind die bisher effektivste Methode zur Eindämmung der Erosion. Seit Anfang der 1970er Jahre rücken die Spezialbaggerschiffe an – zuerst unregelmäßig und seit 1983 jedes Frühjahr. Die bisherigen Kosten für den Küstenschutz belaufen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag.

Allein 2017 kosten die Aufspülungen von insgesamt 1,7 Millionen Kubikmeter Sand 9,3 Millionen Euro. Weitere 26 Millionen Euro wollen Schleswig-Holstein und der Bund in den kommenden vier Jahren für den Schutz von Sylt ausgeben.

Geplant ist jährlich rund 1,2 Millionen Kubikmeter Sand direkt an den Strand oder als schützende Sandbank vor die Insel anzuspülen. „Durch diese künstlichen Sandbänke“, sagt LKN-Mitarbeiterin Birgit Matelski, „wird zum einen die Wellenenergie abgebremst. Zum anderen wird so Sediment an den Strand gespült.“

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Technik vs Natur

Die Kopenhagener Spezialfirma Rohde Nielsen ist seit 14 Jahren mit den aufwendigen Arbeiten betraut. Das Sand-Wasser-Gemisch, das am Strand aus dicken Stahlrohren herausquillt, wird einige Kilometer vor Sylts Küste von den Baggerschiffen aufgenommen, in Richtung Insel transportiert und über eine 1,2 Kilometer lange Druckrohrleitung vor die Strände und Ufermauern gespült.

Vor Ort wird der Sand von Baggern und Raupen großflächig verteilt. Wenn die Arbeiter mit einem Abschnitt fertig sind, wird die Dükerleitung an den nächsten Spülabschnitt verlegt. In diesem Jahr wurden auf diese Weise bereits die Ufermauer von Westerland, der Hauptstrand von Hörnum, das Strandtal von List und sechs weitere besonders gefährdete Bereiche für die Sturmsaison 2017/18 gesichert.

Sturmsaison 2017/18

In diesem Jahr haben die Herbststürme noch keine gravierenden Schäden auf Sylt angerichtet. Dass liegt vor allem daran, dass sie eher von kurzer Dauer und die Wasserstände nicht außergewöhnlich hoch waren. Abbrüche hat es vor allem an der Hörnum-Odde, am Kliffende bei Kampen und am Ellenbogen bei List gegeben.

Anders auf der ostfriesischen Insel Wangerooge: Dort hatte das Sturmtief Herwart am 28./29. Oktober den beliebten Bade- und Burgenstrand fast komplett weggespült.