In einer ehemaligen Kofferfabrik in der Reuchlinstraße im Stuttgarter Westen ist seit 40 Jahren das Künstlerhaus untergebracht. Foto: Kleinbach

Bisher war es nicht einfach, den Eingang des Künstlerhauses Stuttgart zu finden. Nach dem Umbau führt eine Tür zu Gastronomie und Ausstellungräumen. Überhaupt will sich das Haus mehr öffnen – auch für die Nachbarschaft.

Stuttgart - Michael Föll war ganz ohne Debatte schon vorab überzeugt. Sicher, der Erste Bürgermeister kannte das Künstlerhaus Stuttgart; als er sich allerdings auf den Weg machte, um vor Ort über Brandschutzmaßnahmen und einen neuen Anstrich für die Fenster zu sprechen, fand er den Eingang nicht. Durch den Haupteingang gelangte er nur ins Café, beim Umrunden des Gebäudes wurde er schließlich fündig. Und als das Künstlerhaus-Team ihm beim Gespräch Pläne vorlegte, damit man nach einem Umbau fortan durch den Haupteingang in die Ausstellungsräume gelangt, da hatte man ihn als Mitstreiter schon gewonnen. Die eine Million Euro, so Föll, „sind sehr gut investiertes Geld“.

Nach einem Jahr Umbauzeit ist das Künstlerhaus am Wochenende neu eröffnet worden. An der Fassade verrät nun auch unübersehbar ein Schild, wer in dem Altbau von 1910 residiert. Die Londoner Architekten Matheson/Whiteley haben den Gastronomiebereich geöffnet, sodass der Blick zu den Werkstätten nun frei liegt. Sie haben die Theke versetzt, damit eine Tür direkt ins Treppenhaus führt – ein Haupteingang für Kunst und Gastronomie.

New York diente als Vorbild für das Stuttgarter Künstlerhaus

„Die Besucher müssen nicht mehr durch den Nebeneingang gehen, sondern können demokratisch ebenbürtig vorne rein“, sagt Hannelore Paflik-Huber, die Erste Vorsitzende des Künstlerhauses, die den sehr langen Festakt moderierte. Denn es wurde zugleich das vierzigjährige Bestehen des Künstlerhauses gefeiert mit Beiträgen der Unterstützer der ersten Stunde. So spielte der Jazzpianist Wolfgang Dauner nach vielen Jahren mal wieder in der Reuchlinstraße, während Ulrich Bernhardt an die Anfänge erinnerte. Er hatte sich in New York umgeschaut, „wie solche Einrichtungen ticken“ und gründete 1978 das Künstlerhaus, weil er festgestellt hatte: „So etwas fehlt hier.“ Man wollte weniger eine lokale Institutionen sein, sondern ein internationales Netzwerk aufbauen.

Tatsächlich galt das Künstlerhaus viele Jahre als eine Art Sprungbrett. Einige der künstlerischen Leiterinnen und Leiter haben es weit gebracht. Veit Görner leitet heute die Kestnergesellschaft in Hannover und Elke aus dem Moore ist die neue Direktorin der Akademie Schloss Solitude. Nicolaus Schafhausen hat es sogar in die internationale Liga geschafft und ist derzeit noch Direktor der Kunsthalle Wien. Ute Meta Bauer ist als Gründungsdirektorin des Centre for Contemporary Art in Singapur tätig, weshalb sie auch nicht mitfeiern konnte, sondern von Südostasien aus Grüße nach Stuttgart schickte.

Der Umbau soll das Künstlerhaus zu einer soziale Werkstatt machen

In den vergangenen Jahren ist es allerdings etwas ruhiger ums Künstlerhaus geworden. Die junge, schwedische Leiterin Fatima Hellberghat zwar vereinzelt interessante künstlerischen Positionen nach Stuttgart geholt, in den Werkstätten und Ateliers ist man produktiv wie eh und je. Trotzdem geht es in der Reuchlinstraße nicht mehr so lebendig und offen zu wie in früheren Zeiten. Auch wenn Michael Föll dem Haus internationale Strahlkraft bescheinigte, strahlt das Haus derzeit doch eher in einen recht hermetischen Kunstzirkel hinein.

Dafür hat Fatima Hellberg jetzt ein anderes Statement gesetzt, das dem Haus langfristig guttun wird. Der Umbau macht es räumlich möglich, sich zur Stadt zu öffnen, sichtbar und auch leichter zugänglich zu sein. Für Hellberg wird das Künstlerhaus nun zur einer „sozialen Werkstatt, einem informellen Raum“, der auch als Treffpunkt für die Nachbarschaft und Kulturschaffende dienen soll.

In den vergangenen Wochen wurde deshalb bereits mit Nachbarn und Freunden kräftig geschraubt. Der Londoner Architekt Simon Jones, der den Umbau gemeinsam mit Fatima Hellberg angestoßen hat, hat die Stühle für die neue Gastronomie entworfen, die gemeinsam mit Freiwilligen zusammengebaut wurden. Die skandinavisch anmutenden Holzstühle werden mit Dreieckswinkeln aus Metall verstärkt, die, wie Simon Jones verrät, die Form der Deckenträger des Restaurants aufgreifen.

Ein Buch soll an die vierzigjährige Geschichte erinnern

Das ehemalige „Zadu“, dass wegen des Umbaus nach 22 Jahren weichen musste, kommt nun moderner daher, wenn auch etwas düster mit seinen schlammgrauen Wänden und Decken. Sebastian Werning, der bereits in Botnang die Bo’teca di vino betreibt, ist der neue Pächter und gab zur Feier einen Vorgeschmack auf die Küche mit kunstvollen Häppchen und Lachs in kleinen Eishörnchen.

Das Künstlerhaus sei „keine Wärmestube für fröstelnde Künstler“, sondern eher „ein Schwimmbad, in dem man lernt, vom Fünfmeterbrett zu springen“, sagte einst der Grafiker Kurt Weidemann. Viele interessante Künstlerpersönlichkeiten haben das Künstlerhaus geprägt. Zum Jubiläum gibt es zwar keine historische Ausstellung, dafür wird noch in diesem Jahr in der Av Edition ein Buch erscheinen über die vierzig bewegten Jahre im Künstlerhaus.