In diese weißen Ateliers sollen Künstler im Werk 8 einziehen. Foto: Max Kovalenko

Statt Kühlern wird im Werk 8 in Feuerbach künftig Kunst produziert. Nach langem Hin und Her werden nun dort Kreative einziehen. Eine Entwicklung, die zeigt, wie die Stadt sich ändert. Und wie schwer sich mancher damit tut.

Statt Kühlern wird im Werk 8 in Feuerbach künftig Kunst produziert. Nach langem Hin und Her werden nun dort Kreative einziehen. Eine Entwicklung, die zeigt, wie die Stadt sich ändert. Und wie schwer sich mancher damit tut.

Stuttgart - Es heißt offiziell Im Werk 8 Stuttgart. Doch was ist das eigentlich? Man könnte jetzt mit Zahlen um sich werfen, Quadratmeter, Investitionssumme, Werkstätten, Mieter, oder die vielen schlauen Sätze wiedergeben die bei der Einweihung gefallen sind zum Strukturwandel, der Kreativwirtschaft und der Integration. Aber vielleicht versteht man am besten, was hinter diesem Werk 8 steckt, wenn man die Menschen vorstellt, die dafür gekämpft haben.

Da wäre zuvorderst Halil Selvi. Er hat gemeinsam mit Kompagnon Halil Aydin das 13 600 Quadratmeter große Gelände, die einstige Behr-Fabrik, an der Siemensstraße gekauft. Wie viel sie gezahlt haben, bleibt allerdings ein Geheimnis. Er ist am 1. Februar 1963 in Gümüshane im Nordosten Anatoliens geboren worden. Seine Eltern betrieben eine Bäckerei und einen Supermarkt.

Wo der junge Halil natürlich mitschaffen musste. Als er 25 war, kam er der Liebe wegen nach Stuttgart. Doch seine Frau starb nach der Geburt der Tochter. Selvi blieb, er arbeitete als Bäcker, machte sich selbstständig und zog von Wangen nach Feuerbach in die Mauserstraße. Er hatte nämlich gemerkt, dass die Menschen nach dem Gebet in der dortigen Moschee Sehnsucht nach einem Simit, einem Sesamkringel, hatten.

Selvi buk bald nicht mehr nur Simit, sondern bot auch Pide, Lahmacun und Baklava an. Mittlerweile ist seine Bäckerei Metropole nicht nur Zentrum des von türkischstämmigen Einzelhändlern besiedelten Gebiets, er beliefert auch 150 Firmen. Und in den Hallen des Werks 8 will er auf 850 Quadratmeter die Patisserie erweitern. Deshalb habe er die Fläche allerdings nicht gekauft, beteuert er. „Ich möchte Stuttgart etwas zurückgeben, nachdem ich hier die Chance bekommen habe, mir eine Existenz aufzubauen.“

Geholfen hat ihm dabei Sevil Özlük, Inhaberin der Agentur PDT in Esslingen. „Vor 14 Monaten hat man meine Agentur gefragt, eine Strategie für ein Industriegebiet in Feuerbach zu entwickeln“, sagt sie, „ich lehnte ab. Wie sollte ich, die bis jetzt Lifestyle-Projekte initiert hatte, ein Integrationsprojekt zum Erfolg führen?“ Wenig später kam ihr vierjähriger Sohn Musti aus dem internationalen Kindergarten und fragte seine Mutter, ob sie „Torks“ seien?

Torks von englisch Turks, Türken. Die Kindergärtnerin habe heute den anderen Kindern erklärt, dass Mustis Eltern Türken seien, und ob er von seinem Heimatland erzählen und einige Sätze auf Türkisch sagen wolle. Doch Musti konnte kein Türkisch, er war traurig und wollte fortan Leonhard heißen. Özluk: „Wir hatten unbewusst das Identitätsproblem der dritten Generation übersehen.“ Sie habe kurz nachgedacht und schließlich doch zugesagt, sich um das Werk 8 zum kümmern

Eigentlich ein g’mähtes Wiesle sollte man denken. Da entsteht durch privates Geld eine Wagenhalle 2.0 in der Nachbarschaft der Moschee und vieler türkischer Läden, weil die Investoren „die Gegend aufwerten wollen“. Da hat man also Kreative beieinander, auch eine Behindertenwerkstatt, sogar Flächen für den evangelischen Kirchentag, dient der Integration, wertet die Stadt auf, rettet eine Brache vor dem Verfall, alles klar also? Von wegen. Der Gemeinderat wollte zunächst die Fläche fürs Gewerbe vorhalten.

Viel Überzeugungsarbeit war vonnöten, doch nun hat das Werk 8 für fünf Jahre eine Zwischennutzung genehmigt bekommen. Länger nicht, das betonte OB Fritz Kuhn. Das betonten auch etliche Stadträte. Es bleibt abzuwarten, ob die Produktion von Ideen nochmals von der Produktion von Maschinen abgelöst wird. Auf jeden Fall hat das Werk 8 schon jetzt dazu geführt, dass Musti nun auch türkisch spricht – neben Deutsch und Schwäbisch.