Bild und Skulptur zugleich: Im Kunstmuseum zeigt Myriam Holme ihre erweiterte Malerei. Foto: Kunstmuseum

Drei Künstlerinnen aus Baden-Württemberg waren nominiert und zeigen im Kunstmuseum Stuttgart ihre arbeiten. Jetzt hat Myriam Holme den „Kubus-Kunstpreis“ gewonnen mit ihrem eigenwilligen Werk, das die Grenzen von Malerei sprengt.

Stuttgart - An sich ist Myriam Holme eine zarte, feingliedrige Person. Tüchtig anpacken kann sie dennoch. Wenn die Künstlerin in ihrem Atelier arbeitet, gerät das mitunter zu einem handfesten Zweikampf. Holmes Gegner ist das Material. Mit schierer Muskelkraft biegt und faltet sie zum Beispiel große Aluminiumplatten, sie formt und staucht das Metall wie Stoff. Das Ergebnis erinnert dann oft eher an einen schmeichelnden Faltenwurf als an kühle, kantige Materie.

Der Kampf gegen das Material hat sich gelohnt. Gestern Abend ist Myriam Holme dafür mit dem „Kubus-Kunstpreis “ ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung, die von der Sparda-Bank Baden-Württemberg und dem Kunstmuseum Stuttgart initiiert wurde, ist mit 20 000 Euro dotiert und würdigt interessante Künstlerpositionen aus Baden-Württemberg. In diesem Jahr stand der Preis unter dem Thema „Erweiterte Malerei“.

Auch die beiden anderen Künstlerinnen, die für den Kubus-Kunstpreis nominiert wurden und derzeit gemeinsam mit Myriam Holme im Kunstmuseum Stuttgart ausstellen, haben sich von der klassischen Malerei verabschiedet. Corinne Wasmuht malt zwar noch traditionell mit Ölfarbe auf Holz, aber für ihre irrwitzigen, zersplitterten Raumkonstruktionen collagiert sie zunächst Fotografien am Computer. Leni Hoffmann hat dagegen das Obergeschoss des Kunstmuseums in eine Art dreidimensionales, ungegenständliches Bild verwandelt: Ovalen Farbflächen am Boden und die eingefärbten Glastüren des Saals fügen sich zu einer abstrakten Komposition.

Myriam Holme aber nehme „eine eigenständige und innovative Position ein“, meinte nun die Jury in ihrer Begründung. Sie sei eine Grenzgängerin, die sich zwischen Bildhauerei und Malerei bewege und „die Zweidimensionalität des Bildes in den Raum“ überführe.

Eine wiedererkennbare Handschrift sucht man bei Myriam Holme vergeblich

Nach Alexander Roob und Peter Vogel ist Myriam Holme die dritte „Kubus“-Preisträgerin. Geboren wurde sie 1971 in Mannheim, hat an der Karlsruher Kunstakademie studiert und derzeit einen Lehrauftrag an der Kunstakademie Düsseldorf. Für ihre Ausstellung im Kunstmuseum hat Holme einen Parcours aus unterschiedlichen Objekten und Materialien entwickelt. Einen Stil, eine Handschrift sucht man in ihrem heterogenen Werk vergeblich. Sie arbeitet mit Aluminium, Holz, Bambus und Schnüren, mit Lack, Seife oder Glas und macht daraus Collagen, Bilder, Skulpturen oder begehbare Installationen.

So biegen sich bei Holmes neuer Installation „glanzgewebtes dazwischen“ (2017) lange Bambusstangen und tragen wie Säulen einen Baldachin aus goldener Folie. Doch der edle Glanz trügt: Die Folie war einst eine simple Abdeckplane, die Myriam Holme in ihrem Atelier ausgelegt hatte und auf der sich im Lauf der Zeit reichlich Farbflecken und Spritzer angesammelt hatten. Auf die Plane hat Holme schließlich hauchdünn Messing aufgetragen – und die eigenwillige, fragil verspannte Folie wirkt wie eine archaische Zeltkonstruktion.

Aber es ist müßig, in Myriam Holmes Werk nach inhaltlichen Bezügen zu suchen. Die Arbeiten wollen nichts erzählen, sie verhandeln nichts und suchen auch nicht die Interaktion mit dem Betrachter – sondern hier geht es allein um die Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff. Wenn Myriam Holme die Grenzen zwischen Wandarbeit und Skulptur aufbricht und Materialien auf ihre Belastbarkeit hin untersucht, so vor allem, um künstlerische Fragestellungen zu verhandeln.

Die Seifenbilder verströmen einen leichten Duft

So begegnet man ihrem Werk am besten ohne Fragen nach dem Warum – und vertraut lieber auf die eigenen Assoziationen und das sinnliche Erleben. Holmes Seifenbilder etwa verströmen einen feinen Duft. Sie hat Schicht für Schicht flüssige Seife aufgetragen, die mal mit Tusche oder Farbpigmenten versehen wurde. Die Oberfläche hat Holme leicht mit dem Finger eingedrückt und damit nicht nur ihren individuellen Fingerabdruck wie eine Art Handschrift hinterlassen, sondern das Material auch verletzt, sodass zarte Liniennetze und Muster entstanden sind.

So kämpft Myriam Holme an verschiedenen Fronten gegen das Material, das mal leicht und gefügig sein kann, mal aber auch wuchtig und stark. So liegen bei der Installation „Ein Bogen hinauf ins vielleicht“ am Boden die kantigen Reste einer riesigen geborstenen, türkisfarbenen Glaskugel – wie Gesteinsbrocken auf einem unbelebten Planeten.