Der Berliner Europastaatsminister Michael Roth kritisiert in einem Brief an sie Stuttgarter Kultusministerin Susanne Eisenmann, dass der Englisch- und Franzöischunterricht an den Grundschulen später anfangen soll. Foto: dpa

Das Auswärtige Amt kritisiert, dass Baden-Württemberg den Fremdsprachenunterricht verkürzt – Kultusministerin Susanne Eisenmann verspricht sich davon mehr Qualität.

Berlin/Stuttgart - Vor dem Kabinettsbeschluss zur Abschaffung des Fremdsprachenunterrichts in den ersten beiden Grundschulklassen steigt der Druck auf Baden-Württembergs Landesregierung, die Entscheidung zu überdenken. Zur Begründung führen Bundes- und Europapolitiker die Außenwirkung an, da beispielsweise Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron mit einer Ausweitung des Deutschangebots gerade wieder mehr europäische Verständigung erreichen will. „Eine Kürzung des Fremdsprachen- und speziell Französischunterrichts ist daher in der gegenwärtigen Situation das grundlegend falsche Zeichen“, argumentiert das Auswärtige Amt, das sich in Gestalt des Europastaatssekretärs Michael Roth (SPD) an die Stuttgarter Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gewandt hat.

In dem Brief vom 14. Juni, der in Kopie an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ging und unserer Zeitung vorliegt, geht Roth als Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit ausführlich auf die politische Gemengelage ein, in der die Stuttgarter Entscheidung das „falsche Signal“ aussenden würde: „Wir sind gegenwärtig überall in Europa mit dem Wiedererstarken von nationalistischen und populistischen Kräften konfrontiert, die die Spaltung von Europas Bürgerinnen und Bürgern zum Ziel haben.“ Um das Verständnis zu fördern sei erst im April auf einer Konferenz deutsch-französischer Grenzregionen unter Beteiligung Baden-Württembergs die Bedeutung des Unterrichts in der Partnersprache betont worden, schreibt Roth weiter.

Dem Staatssekretär zufolge wird in Berlin auch Macrons neue Prioritätensetzung zugunsten des Deutschunterrichts begrüßt: „Hieran hat auch die Bundesregierung ein sehr großes Interesse. Die deutsche und die französische Regierung wollen dem Thema Spracherwerb daher auch im Rahmen des Deutsch-Französischen Ministerrats am 13. Juli in Paris besondere politische Sichtbarkeit verleihen.“ Am Donnerstag werden Macron und Kanzlerin Angela Merkel eine gemeinsame Erklärung mit neuen deutsch-französischen Initiativen vorstellen.

Eisenmann verteidigt späteren Beginn des Fremdsprachenunterrichts

Der Kabinettsbeschluss soll nach den Sommerferien gefasst und im Schuljahr 2018/19 umgesetzt werden. Das Kultusministerium verweist darauf, dass die meisten Bundesländer erst in der dritten Klasse mit einer Fremdsprache beginnen. „Das Erlernen der französischen Sprache an den Grundschulen entlang des Oberrheins hat einen ungebrochen hohen Stellenwert für uns, aber wir haben konkrete Anhaltspunkte, dass der frühe Beginn des Fremdsprachenunterrichts in Klasse 1 zu wenig Wirksamkeit zeigt und sogar qualitativ hinter einem späteren Beginn zurückfällt“, sagte Ministerin Eisenmann unserer Zeitung unter Verweis auch auf den IQB-Bildungstrend vom Oktober: „Die geplante Verschiebung zielt deshalb auf eine qualitative Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts.“

Während die Regierungsfraktionen der grün-schwarzen Koalition dem Vorhaben intern bereits grünes Licht gegeben haben, kommt Kritik daran aus der Bundestagsfraktion. „Wir brauchen nicht weniger Möglichkeiten der Verständigung, sondern mehr Erleben der Sprache und Kultur unseres Nachbarn“, sagt die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner: „Wenn es im Sprachunterricht in Baden-Württemberg pädagogische Mängel geben sollte, müssen wir sie natürlich angehen aber wir sollten nicht als Antwort das Erlernen der französischen Sprache einfach verzögern.“

„Mehrsprachige Bildungseinrichtungen zeigen, dass jüngere Kinder vom spielerischen Erwerb anderer Sprachen profitieren – auf Englisch ersatzlos zu verzichten, wäre deshalb sicherlich falsch“, sagte der FDP-Landeschef Michael Theurer. Die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt betonte die Bedeutung von Weltoffenheit und Sprachkenntnissen in der Globalisierung: „Deshalb würden wir mit der Streichung des Fremdsprachenunterrichts der Zukunft der Kinder einen Bärendienst erweisen.“