Präsident Erdogan will Entscheidungen vermeiden, die seine eigenen Machtbefugnisse begrenzen Foto: dpa

Mit Willkürherrschaft und Tricks gewinnt die Türkei das Vertrauen der Investoren nicht zurück. Wichtiger wäre eine echte wirtschaftspolitische Strategie, sonst droht die wirtschaftliche zu einer politischen Krise zu werden, meint Türkei-Korrespondentin Susanne Güsten.

Istanbul - Das jüngste Maßnahmenpaket der türkischen Regierung zur Bekämpfung der galoppierenden Inflation ist ein Zeichen dafür, dass Ankara alles tun will, um harten Entscheidungen aus dem Weg zu gehen. Inspekteure für Preiskontrollen in die Supermärkte des Landes zu schicken, kann sinnvoll sein, ist aber kein Ersatz für eine echte wirtschaftspolitische Strategie. Die Erdogan-Regierung setzt jedoch weiter aufs Durchmogeln. Damit kann die Türkei das Vertrauen der Investoren nicht zurückgewinnen.

In der Finanzkrise kollidiert die Realität einer Volkswirtschaft, die auf das Geld internationaler Anleger angewiesen ist, mit einem Regierungssystem, das dem Staatsoberhaupt fast uneingeschränkte Macht gibt. Bei Ländern wie Russland, die über wertvolle Bodenschätze verfügen, kann das funktionieren. In der Türkei ist es aber anders. Anleger haben den Eindruck, dass in dem Land die Willkürherrschaft zunimmt, dass Regeln und Institutionen nicht mehr viel bedeuten.

Präsident Erdogan will absolute Machtbefugnisse erhalten

Allein Erdogans Wort zählt.   Der Präsident will alle Entscheidungen vermeiden, die seine eigenen Machtbefugnisse begrenzen würden. Genau das wäre aber der Fall, wenn die Türkei zum Beispiel, wie von vielen Experten gefordert, die Eigenständigkeit der Zentralbank stärken würde. Dieser grundsätzliche Widerspruch zwischen wirtschaftspolitischer Vernunft und dem allumfassenden Machtanspruch des Präsidenten lässt sich mit Supermarkt-Kontrollen nicht auflösen.   Deshalb versucht Erdogan, sich durchzumogeln. Sein Schwiegersohn und Finanzminister Albayrak ist auf den Trick verfallen, türkische Unternehmen zu Preisnachlässen zu zwingen. Doch damit wird kein Problem gelöst, sondern höchstens für eine kurze Zeit kaschiert.

Die Frage lautet, wie lange die Regierung es schaffen wird, die Schuld an Fehlentscheidungen, Firmenpleiten und Preissteigerungen angeblich bösen Kräften im Ausland zuzuschieben. Selbst in den Reihen von Erdogans eigener Anhängerschaft grummelt es inzwischen. Der Präsident hat ihnen vor der letzten Wahl im Juni Stabilität versprochen, seitdem aber nur Chaos und steigende Preise abgeliefert. Wenn er nicht umsteuert, könnte aus der wirtschaftlichen eine politische Krise werden.