US-Außenminister John Kerry (rechts) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow Foto: dpa

Gibt es für den Konflikt um die ukrainische Halbinsel Krim noch einen diplomatischen Ausweg? US-Außenminister Kerry spricht mit seinem russischen Kollegen - mit geringer Aussicht auf Erfolg.

Gibt es für den Konflikt um die ukrainische Halbinsel Krim noch einen diplomatischen Ausweg? US-Außenminister Kerry spricht mit seinem russischen Kollegen - mit geringer Aussicht auf Erfolg.

London/Simferopol - Unmittelbar vor dem umstrittenen Referendum über den Anschluss der ukrainischen Krim an Russland haben die USA einen letzten Versuch unternommen, den Konflikt diplomatisch zu lösen. US-Außenminister John Kerry sprach am Freitag in London mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow über die angespannte Lage in der Ukraine. Bei dem Treffen in der Residenz des US-Botschafters wollte Kerry Moskau zum Einlenken bewegen. Die Aussichten auf einen Erfolg wurden jedoch als gering eingeschätzt. Vorherige Gespräche der beiden Außenminister in Rom und Paris waren nahezu ergebnislos verlaufen.

Die Stimmung in der Krim-Hauptstadt Simferopol war vor dem Volksentscheid gespannt, aber ruhig. Die prorussische Führung der Schwarzmeerhalbinsel warnte vor Provokationen bei dem Referendum an diesem Sonntag. Wegen der Gefahr von Angriffen ukrainischer Nationalisten seien Zugänge zur Krim teils geschlossen oder eingeschränkt worden, teilte der Vizeregierungschef der Krim-Republik, Rustam Temirgalijew, mit. Außerdem seien Flugverbindungen mit der ukrainischen Hauptstadt Kiew gekappt worden.

Zusammenstöße in Donezk

Nach blutigen Zusammenstößen zwischen prorussischen und proukrainischen Demonstranten in der ostukrainischen Stadt Donezk schloss Moskau erneut ein Eingreifen im Nachbarland nicht aus. Russland behalte sich das Recht vor, seine Landsleute in der Ukraine zu schützen, teilte das Außenamt mit. Die Gewalteskalation mit einem Toten zeige, dass die Regierung in Kiew die Lage nicht im Griff habe.

Nach den Zusammenstößen in Donezk war am Donnerstag ein 22-Jähriger gestorben. 17 Menschen seien bei der Gewalt auf dem Lenin-Platz verletzt worden, teilten örtliche Behörden mit. Die ukrainische Übergangsführung forderte eine schnelle Aufklärung der Ereignisse.

"Wir haben eine Menge zu besprechen"

Kerry sagte vor dem Treffen mit Lawrow: „Wir haben eine Menge zu besprechen.“ Es gehe darum, „Möglichkeiten zu suchen, wie man vorankommt“, und „Differenzen zwischen uns auszuräumen“. Lawrow sagte: „Es ist eine schwierige Situation, in der wir uns befinden.“ Es sei viel Zeit verloren gegangen.

Vor dem Treffen hatte der US-Außenminister sein Gegenüber in einem kurzen Telefonat gewarnt, dass eine weitere Eskalation einen Preis haben werde. Zugleich stellte Kerry bei einer Anhörung im Kongress klar, die USA würden eine diplomatische Lösung des Konflikts vorziehen.

Kerry machte Lawrow zudem ein Angebot, um den Konflikt beizulegen, wie Regierungssprecher Jay Carney sagte. Demnach solle die internationale Gemeinschaft unter anderem anerkennen, dass Russland „legitime“ Interessen und eine Marinebasis in der Ukraine hat.

Am Sonntag entscheiden die Wähler auf der ukrainischen Krim in einem Referendum, ob die Schwarzmeerhalbinsel der Russischen Föderation beitritt. Eine Mehrheit für den Anschluss des mehrheitlich von Russen bewohnten Gebiets an den großen Nachbarn gilt als sicher. Die Regierung in Kiew und der Westen lehnen die Abstimmung als völkerrechtswidrig ab. Russland will den Anschluss dagegen schnell vorantreiben. Moskau kontrolliert die Krim nach Einschätzung des Westens mit Tausenden Soldaten, Russland spricht dagegen von „Selbstverteidigungskräften“.

EU-Einreiseverbote für Putin-Vertraute?

Weil es aus Moskau bislang kein Zeichen des Entgegenkommens gibt, ist die EU zu weitere Sanktionen gegen Russland entschlossen. „Wenn sich die Mitgliedsstaaten über etwas einig sind, dann darüber, dass es bisher wirklich keine Deeskalation gegeben hat“, sagte ein ranghoher EU-Diplomat am Freitag in Brüssel.

Die EU-Außenminister wollten daher am Montag „restriktive Maßnahmen“ beschließen. Geplant sind Kontensperrungen und EU-Einreiseverbote. Laut „Bild“-Zeitung sollen enge Vertraute von Russlands Präsident Wladimir Putin davon betroffen sein. Auf einer Liste befänden sich unter anderem Verteidigungsminister Sergei Schoigu, Geheimdienstchef Alexander Bortnikow und Stabschef Sergej Iwanow sowie die Chefs der großen Energiekonzerne Gazprom und Rosneft.

Ein ranghoher EU-Diplomat, der mit der Vorbereitung des Ministerbeschlusses direkt befasst ist, sagte in Brüssel hingegen: „Bisher gibt es überhaupt noch keine Liste.“