In Aleppo, dem Ort zahlreicher Kriegsverbrechen, steht kaum ein Stein mehr auf dem anderen. Foto: AFP

Der Kampf um Aleppo war unmenschlich, verlustreich – und es sind zahlreiche Kriegsverbrechen begangen worden. Das berichten die Vereinten Nationen. Das ist grausam. Fast noch grausamer: der Bericht wird nichts ändern, kommentiert Christian Gottschalk.

Stuttgart - Aus der Vermutung ist nun Gewissheit geworden. Die Schlacht um Aleppo gehört nicht nur zu den grausamsten Gemetzeln der jüngeren Vergangenheit, sie ist auch Sinnbild für die Verrohung der Sitten. Das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad hat die Schlacht gewonnen, dank russischer Unterstützung und unter Begehung von Kriegsverbrechen. Krankenhäuser wurden bombardiert, Chlorgas wurde eingesetzt. Was schon lange behauptet wurde, hat ein offizieller Bericht der Vereinten Nationen nun bestätigt. Das Tragische daran: Ändern wird die Erkenntnis erst einmal nichts.

Wenige Stunden bevor die Vereinten Nationen den Bericht veröffentlicht haben, hatte der UN-Sicherheitsrat die Gelegenheit, das syrische Regime für seinen Giftwaffeneinsatz zu verurteilen. Er hat es nicht getan. Und das liegt gewiss nicht daran, dass ein paar Stunden zu früh zur Abstimmung gerufen wurde. Russland und China hätten ihr Veto auch nach dem UN-Bericht geltend gemacht. Denn das Grundproblem bleibt: In Syrien kämpfen keine guten Rebellen gegen ein böses Regime. Auch die Rebellen haben jede Menge Kriegsverbrechen begangen, auch dafür haben die UN-Beobachter Beweise gesammelt. Die einseitige Ächtung der Verbrechen Assads hat Moskau schon siebenmal mit seinem „Njet“ verhindert, das wird auch in Zukunft so bleiben.

Das ist das einzig Verlässliche in einer verworrenen Situation. Nicht nur in Syrien selber ist die Lage kaum überschaubar, mit all den verfeindeten Gruppen, Splittergruppen und Untergruppen, die Bündnisse auf Zeit schließen und sie schnell wieder brechen. Diese Unübersichtlichkeit ist wiederum Teil eines großen Stellvertreterkrieges, in dem ganz andere die Fäden ziehen. Da ist der Iran, der Assad stützt, gegen die Golfstaaten. Da ist der Irak, der in diesem Fall an der Seite Teherans steht, gegen die Terroristen des Islamischen Staates (IS). Da ist die lavierende Türkei, die als Gegner Assads in den Konflikt gestartet war und inzwischen immer mehr schwankt. Und da sind natürlich Russland und die USA.

Mit Assad hat Russland bessere Optionen

Ohne Russland gäbe es Assad heute vermutlich nicht mehr. Und mit Assad hat Russland in der näheren Zukunft die deutlich besseren Optionen. Denn wie sich der neue US-Präsident in der Syrienfrage aufstellen wird, das ist ungewiss. Nicht nur in diesem Bereich ist Donald Trump unberechenbar. Mit Assad hat Russland erst einmal ein Ass im Ärmel, das es in vielen Situationen ausspielen kann. Der neue Mann im Weißen Haus erklärt sich zwar selbst zum Meister des Deals, doch sein Pendant im Kreml hat in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass er diese Kunst beherrscht. Nicht zuletzt in Syrien, wo Putin zusammen mit der Türkei einen – wenn auch brüchigen – Waffenstillstand ausgehandelt hat. Mit ebenjener Türkei, mit der sich Moskau kurz zuvor fast bekriegt hätte.

Der Einsatz von Diplomatie ist komplizierter als der von Raketen

Ohne Russland – und das bedeutet im Augenblick: ohne Assad – ist in Syrien kein Ende des Leids in Sicht. Inzwischen hat aber auch der Kreml erkannt, dass der Einsatz von Diplomatie weitaus komplizierter ist als der von Raketen. Die maßgeblich von Moskau mitgestalteten Friedensgespräche in Astana haben wenig Konkretes erreicht. Die Verhandlungen in Genf scheinen ebenso wenig Erfolg versprechend. Russland hätte sich gewünscht, dass der neue US-Präsident massiv gegen den IS vorgeht. Zudem wollte es die Rebellen so unter Druck setzen, dass diese sich gezwungen sehen, Assads Bedingungen für einen Friedensschluss zu akzeptieren. Beides ist unwahrscheinlich. Solange es der Diplomatie nicht gelingt, bei den Verhandlungen voranzugehen, wird das Morden und das Sterben in Syrien weitergehen. Aus der Vermutung, dass demnächst eine weitere UN-Kommission gebildet werden muss, um neue Kriegsverbrechen zu untersuchen, könnte schon bald Gewissheit werden.