Israelische Soldaten patrouillieren am Gazastreifen Foto: dpa

Die erneute Eskalation am Gazastreifen hat eine Krise in der israelischen Regierung ausgelöst. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erweist sich als harter Kritiker des Premierministers Benjamin Netanjahu und zieht nun Konsequenzen.

Jerusalem - Es gibt einige Gründe, warum Benjamin Netanjahu um sein Amt fürchten müsste, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn und seine Frau Sara sind einer davon. Seit Mittwochnachmittag rüttelt ein Mann an seinem Stuhl, der eigentlich zu den Verbündeten des Premierministers zählt: Avigdor Lieberman, Israels Verteidigungsminister, kündigte auf einer Pressekonferenz in Jerusalem seinen Rücktritt sowie seinen Austritt aus der Regierung an und fordert umgehend Neuwahlen.

Verteidigungsminister Avigdor Lieberman fordert Neuwahlen

Bis spätestens kommenden Sonntag soll ein Datum dafür gesetzt sein, sagte er. Die nächsten Wahlen stehen regulär erst in einem Jahr an. Ohne Liebermans Partei Beitenu hat Netanjahus Regierung nur noch eine knappe Mehrheit von 61 von 120 Sitzen. „Ich habe nicht nach Gründen gesucht, mein Amt aufzugeben“, begründete Lieberman seine Entscheidung. „Ich habe versucht, ein loyales Regierungsmitglied zu sein und Differenzen intern zu lösen.“ Der Wendepunkt sei Netanjahus Gaza-Politik gewesen. Die am Dienstag unter Vermittlung Ägyptens getroffene Waffenstillstandsvereinbarung bezeichnete er als „Kapitulation vor dem Terror“.

Avigdor Lieberman, 60, Vorsitzender der ultrarechten Partei Beitenu (Unser Haus Israel), gilt als Hardliner, als jemand, der Stimmung gegen Palästinenser macht und Netanjahus Politik als zu lasch kritisiert. Wenn es nach Lieberman gehen würde, wäre die Hamas für ihre massiven Raketenangriffe auf Israel weiterhin gnadenlos mit Bombenangriffen bestraft worden, auch das Beduinendorf Khan Al-Ahmar zwischen Ostjerusalem und dem Westjordanland wäre längst abgerissen worden.

Liebermans Rücktritt ist ein Angriff von rechts, ein Versuch, Netanjahus Macht zu schwächen, gerade jetzt, da der Regierungschef versucht, einen neuen, verbindlicheren Ton gegenüber der Hamas anzuschlagen. Vor wenigen Wochen hatte er seine Landsleute mit seiner Reise in den Oman überrascht, um neue arabische Verbündete zu finden und das Leid im Gazastreifen zu lindern. Am Freitag hatte er 15 Millionen US-Dollar aus dem Emirat Katar in Koffern über die Grenze passieren lassen. Mit dem Geld sollten die Gehälter von Verwaltungsangestellten bezahlt werden.

Lieberman hat einige Mal im Alleingang Entscheidungen getroffen

Verteidigungsminister Lieberman dagegen setzt auf Stärke und Konfrontation. Ohne vorherige Abstimmung mit Netanjahu hatte er kürzlich die Benzin-Lieferungen nach Gaza gestoppt. Auch die schief gegangene Geheimdienstoperation vom letzten Sonntag scheint auf seine Rechnung zu gehen. Eine israelische Spezialeinheit war in den Gazastreifen vorgedrungen und dabei in eine Schießerei mit Hamas-Kämpfern geraten. Sieben Palästinenser und ein israelischer Offizier kamen ums Leben. Ironischerweise hatte ausgerechnet der ehemalige Hamas-Führer Husam Badran den Bruch der beiden Politiker vorausgesehen und Netanjahu geraten, seinen Verteidigungsminister zu feuern. Denn der habe „mit seinem törichten Verhalten“ die Eskalation zwischen Gaza und Israel erst maßgeblich mit ausgelöst.

Ein Hamas-Chef gibt einem israelischen Premier Ratschläge. Eine Geheimdienstoperation geht schief, und niemand sagt, wozu sie eigentlich gut war. Und dann legt auch noch der Verteidigungsminister sein Amt nieder und fordert Neuwahlen. Das alles klingt so turbulent und dramatisch, als werde gerade ein Teil der israelischen Erfolgsserie „Fauda“ neu geschrieben. Abraham Diskin, Politikprofessor an der Hebräischen Universität in Jerusalem, mahnt indes zur Ruhe. So schnell gebe es in Israel keine Neuwahlen, sagte er am Mittwoch vor Journalisten. Auch eine kleine Regierung könne stabil sein. Und nebenbei gesagt, habe Benjamin Netanjahu mit seinen Bemühungen um eine Waffenruhe mit der Hamas vielleicht ein wenig vorschnell gehandelt, aber sei die Entscheidung im Grunde „vollkommen korrekt“.

Netanjahu übernimmt nun Posten des Verteidigungsministers

Netanjahu kündigte an, Liebermans Amt zu übernehmen, bis ein neuer Minister gefunden ist. Zu den Bewerbern gehört Naftali Bennett, Bildungsminister und Mitglied der rechtsnationalen Partei Jüdisches Heim. Auch Bennett hatte gegen die Waffenruhe mit der Hamas gestimmt.