Stein des Anstoßes: Gelbes Kreuz auf rotem Grund Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Martinusweg der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart durchzieht das Land. Ein Bürger sieht jetzt durch das Kreuzsymbol auf den Wegzeigern die weltanschauliche Unabhängigkeit im Wald bedroht. Der Petitionsausschuss des Landtags muss entscheiden.

Stuttgart - Die Blätter verfärben sich, die Menschen zieht es hinaus in den Wald. Auch in den Stuttgarter Rot- und Schwarzwildpark rund um Schloss Solitude und Bärenschlössle. „Seit 35 Jahren durchwandere ich dieses Gebiet“, sagt Erich Dengler. Doch zuletzt hat er sich dabei immer häufiger geärgert. Und zwar wegen kleiner Holztäfelchen an den Bäumen. „Ich bin empört, dass in meinem schönen Wildpark Symbole angenagelt sind, die nicht meiner Weltanschauung entsprechen und der vieler anderer auch nicht“, sagt er.

Auslöser der Aufregung ist der Martinusweg. Er ist in den vergangenen Jahren auf Betreiben der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart entstanden. Auf den Spuren des Heiligen Martin können Pilger rund 1200 Kilometer lang durch die Diözese wandern, Martinskirchen und andere kirchliche oder weltliche Sehenswürdigkeiten besuchen. Die Strecken führen auch mitten durch Stuttgart und seine Wälder. Markiert sind sie mit Täfelchen mit einem gelben Kreuz auf rotem Grund. Zwischen 2500 und 3000 davon hat die Martinusgemeinschaft, die sich um den Weg kümmert, aufgehängt, dazu 110 gusseiserne Tafeln und 100 Infotafeln an Kirchen und anderen Gebäuden.

Genau das stört Erich Dengler. „Der öffentliche Raum wird für Weltanschauungsfragen missbraucht“, sagt er. Die Kirche handle als gewerbliches Unternehmen, das mit der Beschilderung für sich und seine Sache werbe. Das widerspreche der grundgesetzlich verankerten Neutralität des Staates in religiösen Fragen und seiner Meinung nach auch dem Landeswaldgesetz.

Dort ist so ziemlich alles geregelt, was den Forst im Land betrifft. Etwa die „Aneignung von Waldfrüchten und Waldpflanzen“. Oder das Verbot von „ungebührlichem Lärm, Schreien, Grölen“ und „Missbrauch von Musikinstrumenten“. Zu Wanderschildern findet sich dort der Hinweis, „Zeichen oder Vorrichtungen“ dürften nicht unbefugt angebracht werden.

Genau das vermutet Dengler aber. Und das, obwohl der behördliche Weg hochoffiziell beschritten worden ist. Sowohl das für den gesamten Weg zuständige Landratsamt Tübingen als auch das Stuttgarter Forstamt teilen mit, dass alle Genehmigungen vorliegen. Die Schilder verstießen nicht gegen geltendes Recht, heißt es in einem Schreiben. Deshalb hat sich Dengler an den Petitionsausschuss des Landtags gewandt. „Es gehört juristisch geprüft, ob die Beschilderung zulässig ist“, sagt Dengler – und fügt schmunzelnd an: „Vom katholischen Missionierungsweg sollte man auf den demokratischen Rechtsweg zurückfinden."

Der Petitionsausschuss will nach Angaben eines Sprechers das Thema möglicherweise bereits Anfang November beraten. Derzeit arbeitet das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz an einer Stellungnahme. „Solche Probleme hatten wir noch nie, aber man muss das ernst nehmen“, sagt der für den Forst zuständige Sprecher Thomas Deines. Im Land gebe es zahlreiche Pilgerwege. Falls der Petitionsausschuss zum Ergebnis kommt, dass die Kritik berechtigt ist, könnte die Beschilderung komplett infrage stehen.

Bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart reagiert man mit Verwunderung auf das Bestreben, die Wegmarkierungen verbieten zu lassen. „Der Martinusweg erfreut sich steigender Beliebtheit“, sagt Sprecherin Manuela Pfann. Besonders kirchliche Gruppen seien auf ihm unterwegs. Der Weg werde auf der Tourismusmesse CMT beworben und stoße dabei auf großes Interesse. Vorneweg marschiert dabei übrigens Bischof Gebhard Fürst. Er ist jedes Jahr kurz vor den Sommerferien zwei Tage lang auf dem Martinusweg unterwegs.

Beschwerden über die Schilder gibt es bei der Diözese nur vereinzelt. Die gehen aber in eine ganz andere Richtung – wenn nämlich an einzelnen Stellen Schildchen fehlen. Jetzt erwarten alle Beteiligten gespannt die Entscheidung des Petitionsausschusses. „Es würde mich wundern, wenn dieser Weg den amtlichen Segen bekäme“, sagt Erich Dengler. So manchen Pilger dagegen würde es vor Rätsel stellen, wenn er künftig im herbstlichen Wald den rechten Weg nicht mehr fände.