Ministerpräsident Winfried Kretschmann drängt auf die Sanierung des Opernhauses in Stuttgart Foto: dpa

Einen Bürgerentscheid über die Sanierung des Opernhauses Stuttgart lehnt Ministerpräsident Winfried Kretschmann ab. Eine Bürgerbeteiligung aber soll kommen. Das sagte Kretschmann am Sonntagabend.

Stuttgart - Will man einen Sachverhalt beurteilen, geht meist nichts über die eigene Anschauung. Und so kommt Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der Premiere der Mozart-Oper „Le Nozze di Figaro“ am Sonntagabend im Opernhaus Stuttgart geraume Zeit früher. Er will selbst sehen, wie es aussieht mit dem Gebäude und seiner Technik.

Kosten sorgen für Diskussionen

Im Sommer 2018 bereits hat die Landesregierung die Generalsanierung beschlossen, zudem die Erweiterung des StaatstheaterAreals um 10400 Quadratmeter Nutzfläche. Inzwischen haben Stadt und Land als Träger des Staatstheaters umfassende Raum- und Flächenstudien vorgestellt. Die aufgerufenen Kosten von einer Milliarde Euro (inklusive einer Ausweichspielstätte für Oper und Ballett für den Zeitraum von bis zu acht Jahren) sorgen für anhaltende Diskussionen.

Alarmsignal Setzungsrisse

Das erste Aha-Erlebnis hat Kretschmann schon vor Betreten des 1912 eröffneten Littmann-Baus. Erhebliche Setzungsrisse machen deutlich: Unterschiedliche Untergründe lassen das Gebäude bis in die Fundamente heftig arbeiten. Seit Jahren ist der Littmann-Bau deshalb „unter ständiger Beobachtung“, sagt Arno Laudel. Er verantwortet im Staatstheater Stuttgart den Bereich Zentrale Technische Dienste und Opernhaus.

Zittern um das „hydraulische Herz“

Laudel führt Kretschmann im Anschluss direkt in die „technischen Herzkammern“ des Opernhauses. Seit Jahren macht die Bühnentechnik Sorgen. Nicht nur in allen elektronischen Bereichen. „Unser hydraulisches Herz schlägt langsam“, sagt Laudel vorsichtig. Und auch für Laien wird schnell klar: eine Einheit ist die Anlage längst nicht mehr. Um die Bühnenelemente überhaupt noch „fahren“ zu können, wird seit Jahren andernorts ausrangierte Theatertechnik zugekauft. Der Ministerpräsident zieht kurz die rechte Augenbraue hoch. Das Staunen hält an – die Vorbereitungszimmer der Musikerinnen und Musiker? Sind eigentlich kleine Lagerräume. Kühlung? Gibt es im Opernhaus nur im Zuschauerraum – und ist als reine Wasserkühlung kaum mehr von Gestern.

Das Vorgestern erwartet Kretschmann noch weitere Male – Kommentare verkneift sich der Ministerpräsident. Wichtig ist ihm offenbar allein die eigene Anschauung.

Kretschmann-Rede nach der „Figaro“-Premiere

Ein paar Stunden später wird Kretschmann dafür deutlich. Im Anschluss an die „Figaro“-Premiere hält er vor der Premierenfeier eine kurze Rede. Und sagt: „Die Oper muss saniert werden – und zwar so, dass Menschen hier sicher arbeiten können, in ihrer Freizeit nicht auf Abruf bereitstehen müssen, weil die Theatermaschinerie jederzeit während der Vorstellung ausfallen kann, und vor allem: auf gute Ideen kommen und kreativ sein können.“

„Es geht um ein Stück Heimat“

Der neue Stuttgarter „Figaro“ mache deutlich, so Kretschmann, dass herausragende Kunst über die Ränder der Bühne hinausweise, dass die Oper eine „Vermessung der Welt“ wage. „Im Moment“, sagt Kretschmann dann, „erleben wir allerdings hier in Stuttgart das genaue Gegenteil: Dass die Welt die Oper vermisst. Sind die Umkleiden für die Schauspieler wirklich so klein? Gibt es da wirklich Büros ohne Fenster? Wozu braucht man eigentlich eine Kreuzbühne? Und natürlich: Was koschd des?....“ Und betont: „Dabei geht es natürlich um sehr viel mehr als nur um Quadratmeter und Kosten. Es geht um ein Identifikationssymbol der Stuttgarterinnen und Stuttgarter und der Menschen bei uns im Land. Und ein Stück Heimat.“

„Sanierung ist unumgänglich“

Das Fazit? „Wir sanieren die Oper nicht nur, weil wir müssen, sondern auch, weil wir wollen.“ Mehr noch: „Die Sanierung ist nicht nur unumgänglich. Sondern eine historische Chance!“ Und diese Chance soll – nach einigem Hin und Her in den vergangenen Wochen – nun in jedem Fall im direkten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ergriffen werden. „Kann sein, dass sich dadurch die Planung hier und da noch mal verändert“, sagt Kretschmann. „Dass neue Argumente auf den Tisch kommen und Kompromisse ausgehandelt werden. Aber genau dafür haben wir ja die Bürgerbeteiligung: Um nichts zu übersehen. Und gemeinsam den bestmöglichen Weg zu finden.“

Bürgerentscheid nein, Bürgerbeteiligung ja

Nach der Absage Kretschmanns an einen Bürgerentscheid ist dies nun ein deutliches Ja zu einer Bürgerbeteiligung. „Wir machen eine Bürgerbeteiligung“, bestätigt ein Sprecher am Montag, „und die Ergebnisse werden berücksichtigt, die Verfahren werden jetzt entwickelt“.

Was bedeutet dies für die Sanierung des Opernhauses und die Erweiterung des Staatstheater-Areals an sich? Die Gäste der „Figaro“-Premierenfeier und die Staatstheaterverantwortlichen hören am Sonntagabend von Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazu diesen Satz: „Dass wir den Weg gehen werden, steht außer Frage.“