Die Zeiten für die Agentur für Arbeit werden schwieriger, eine veritable Krise ist aber nicht in Sicht. Foto: Horst Rudel/Archiv

Während es in den Landkreisen Esslingen und Göppingen in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie eine konjunkturelle und strukturelle Delle gibt, ist von einer Krise in vielen anderen Branchen aktuell nichts zu spüren.

Esslingen - Die Zahlen sind schon besser gewesen. „So entspannt wie in den Jahren 2017 bis Anfang 2019 ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt jetzt nicht mehr“, sagt Thekla Schlör, die Vorsitzende der Geschäftsführung der für die Landkreise Esslingen und Göppingen zuständigen Agentur für Arbeit Göppingen. Aber eine große Krise zeichnet sich nach ihrer Einschätzung im laufenden Jahr nicht ab: „Es wird unserer Prognose nach 2020 zwar kein weiteres Beschäftigungswachstum geben. Und auch die Arbeitslosigkeit wird leicht steigen. Aber schon im zweiten Halbjahr könnten sich die Zahlen auf diesem etwas höheren Niveau einpendeln.“

Am Dienstag hat Thekla Schlör zusammen mit Bettina Münz, der Geschäftsführerin der Göppinger Agentur, Bilanz des Arbeitsmarkts 2019 gezogen. „Der Arbeitsmarkt in den beiden Landkreisen hat aktuell zwei Gesichter“, betonen die Verantwortlichen unisono. Während die Zulieferbetriebe der Automobilbranche, die im Neckartal bekanntlich stark vertreten sind, die konjunkturelle und auch strukturelle Delle so deutlich spüren, dass das konkrete Auswirkungen auf die Beschäftigung hat, ist von einer Krise in vielen anderen Branchen nichts zu merken.

Gastronomie sucht händeringend nach Personal

Konkret heißt das: Während in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie 2019 Stellen im niedrigen vierstelligen Bereich abgebaut worden sind, suchen unter anderem Firmen der Informations- und Kommunikationsbranche, öffentliche Verwaltungen, das Bau- und das Gastronomiegewerbe nach wie vor händeringend nach Personal. Insgesamt waren 2019 rund 309 400 Menschen in den beiden Kreisen beschäftigt. Das sind 0,3 Prozent mehr als im Jahr 2018. Diese positive Zahl wird relativiert, wenn man bedenkt, dass in Baden-Württemberg die Zahl der Beschäftigten um 1,6 Prozent zugenommen hat.

Leicht gestiegen ist die Zahl der Arbeitslosen: Lag sie Ende 2018 noch bei 14 200, so waren Ende Dezember 2019 rund 500 Menschen mehr auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Die Arbeitslosenquote stieg im Bereich der Agentur für Arbeit Göppingen von 3,2 auf 3,3 Prozent an, während sie im Land unverändert blieb – auch das ein Indiz für die Probleme in den Zulieferbetrieben der Automobilindustrie. Ebenso hat die Zahl der Kurzarbeiter in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen.

Weiterbildung wird immer wichtiger

Qualifikation bleibe deshalb das Gebot der Stunde, betont Thekla Schlör. Das gelte nicht nur für das Bemühen, einen Berufsabschluss zu erreichen. Immer wichtiger werde auch die Weiterbildung und Umschulung von bereits Beschäftigten zur Sicherung der beruflichen und betrieblichen Zukunft.

Verstärkt werde die Agentur deshalb in diesem Jahr auf Betriebe und ihre Beschäftigen zugehen, um das Bewusstsein für die Bedeutung des lebenslangen Lernens zu schärfen. Traditionell sei die Bereitschaft, den Mitarbeitern solche Weiterbildungsmöglichkeiten zu geben, bei jenen Firmen, bei denen die Geschäfte noch gut laufen, nicht gerade ausgeprägt. „Wir versuchen jetzt aber anzuregen, dass die Unternehmen die Zeit der Kurzarbeit nutzen, um die Mitarbeiter für den anstehenden Strukturwandel fit zu machen“, sagt Thekla Schlör. Allerdings sei dazu die Bereitschaft aller Beteiligten notwendig. Die Agentur will 2020 rund 60 Millionen Euro in die Weiterbildung und Qualifikation der Arbeitnehmer investieren.

33 355 offene Stellen wurden 2019 gemeldet

Die Delle auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich auch bei der Nachfrage nach Arbeitskräften. Im Jahresverlauf sind der Agentur und den beiden Jobcentern insgesamt 33 355 offene Stellen gemeldet worden. Das waren 10,7 Prozent weniger als im Jahr 2018. Die Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen, waren also nach wie vor gut. Allerdings spielt der Grad der Qualifikation eine große Rolle: Bei 80 Prozent der offenen Stellen werden Fachkräfte gesucht.