Das Netz der Eletro-Zapfsäulen entlang der Filstalbahn soll endlich dichter werden. Foto: dpa-Zentralbild

Elektromobilität, Bürgerrufautos und Carsharing sollen im Filstal mehr Leute für den ÖPNV begeistern. Das lässt sich die Politik eine Stange Geld kosten.

Kreis Göppingen - Damit die Mobilität der Menschen in der Metropolregion Stuttgart nachhaltiger, emissionsärmer und leiser wird, sowie ökonomische Wachstumschancen für neue Mobilitätsprodukte und Dienstleistungen generiert, investieren EU und Regionalverband mehr als acht Millionen Euro. Im Kreis Göppingen landen davon 750 000 Euro. Damit werden die Bahnhöfe Göppingen, Eislingen und Gingen zu Drehscheiben der Mobilität ausgebaut. Die Investitionen erhöhen sich auf insgesamt 1,6 Millionen Euro, rechnet man den Landeszuschuss über 850 000 Euro dazu, den Geislingen für das landesweit einmalige Modellprojekts innovativer Nahverkehr (wir berichteten) erhält.

Neue Buchungs- und Informationstechniken verbinden

Für die Stadt Göppingen ist eine Fördersumme von 227 500 Euro für ihre rund 325 000 Euro teuren Investitionen vorgesehen. Das entspricht einer Förderquote von 70 Prozent. Die Geldspritze soll den Aufbau einer Mobilitätsdrehscheibe am Bahnhof bis Ende 2020 anstoßen, um den Kunden einen Überblick über alle Angebote im öffentlichen Personennahverkehr zu verschaffen. Die Stadt plane die Einrichtung einer Infosäule, von Car-Sharing-Plätzen und einer Schnellladestation für Elektrofahrzeuge, teilte Jan Tielesch mit, der für die CDU im Regionalparlament und im Gemeinderat sitzt.

Da auch das gesamte Bahnhofsumfeld aufgewertet werden soll, stehen die Barrierefreiheit und eine höhere Aufenthaltsqualität im und am Bahnhof auf der städtischen Agenda. Tielesch lobt den innovativen Charakter des Vorhabens, das darauf abziele, verschiedene Verkehrsträger mit den neuesten Buchungs- und Infotechniken zu verknüpfen.

Ein Fahrradparkhaus für Eislingen

Auch die Nachbarstadt Eislingen schickt sich dank einer EU-Förderung von 450 000 Euro an, den Bahnhofsbereich für das neue Mobilitätszeitalter fit zu machen. Dafür hat die Kommune einen großen Teil des Bahnhofgebäudes erworben und möchte dort einen hochwertigen Aufenthalts- und Wartebereich installieren. Eine Konzeptstudie dazu sei gerade im Werden. Sie sehe vor, zu der bestehenden Postagentur ein Café-Imbiss anzusiedeln, den Fahrkartenautomat ins Gebäudeinnere zu versetzen und noch weitere Anbieter nachhaltiger Verkehrsmittel für den gut frequentierten Standort zu gewinnen, erklärte Jürgen Gröger. Er sei bereits im Gespräch mit einem örtlichen Fahrradhändler, sagte der Baubürgermeister, der hier ein Fahrradparkhaus und einen Pedelecverleih ansiedeln möchte.

Weiter filsaufwärts sind am Bahnhof Gingen ein Haltepunkt für das angestrebte elektrische Bürgerrufauto, Park&Ride-Flächen und abschließbare Fahrradboxen mit integrierter Ladestation geplant. Dazu kommt außerdem eine Ladestation an einem Wanderparkplatz. Die Gesamtkosten in Höhe von 96 500 Euro bezuschusst die Region mit 67 550 Euro.

Auch im Filstal entstehen Vernetzungspunkte

Modellregion:
Die Region Stuttgart zielt darauf ab, sich bundesweit als Musterregion für nachhaltige Mobilität zu etablieren. Gemeinsam mit der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft sollen dafür bis 2021 insgesamt acht Millionen Euro regionweit investiert werden.

Verankerung:
Mobilitätspunkte an Bahnhöfen informieren künftig über alle Verkehrsangebote. In der Region sind das: Stuttgart, Böblingen, Sindelfingen, Leonberg, Leinfelden-Echterdingen, Backnang, Kernen, Waiblingen, Fellbach, Esslingen, Göppingen, Eislingen und Gingen.

Geislingen:
Das Landes-Modellprojekt innovativer Nahverkehr soll mit Rufbussen, sozialen Fahrdiensten und Carsharing den Raum Geislingen erschließen. Fördersumme: 850 000 Euro plus 277 000 Euro vom Kreis. Die Hochschule Geislingen begleitet das Projekt.

Das E-Bürgerauto des Gemeinderverwaltungsverbands Raum Bad Boll ist nach langem Vorlauf gestartet. von Sabine Riker

Voralb - Was lange währt, ist endlich gut. Das elektrisch betriebene Bürgerauto des Gemeindeverwaltungsverbands Raum Bad Boll ist am Montag zu seiner Jungfernfahrt gestartet. Sie führte vom Alexanderstift in Zell ins nahe Einkaufszentrum. Chauffeur der ersten Stunde war Walter Dahlmann, einer von zwölf ehrenamtlichen Fahrern. Er ist von dem Projekt und von dem Auto begeistert. „Das ist eine tolle Sache“, sagt er. Der E-Golf habe „Power“, und man höre ihn nicht, so leise sei er.

Die Nachfrage darf noch größer werden

Noch klingelt das Handy an Bord des E-Bürgerautos selten. Bei einer einzigen Fahrt ist es am Montag geblieben. Für den Rest der Woche hat Walter Dahlmann noch zwei Reservierungen vermerkt. Er hofft aber, dass das Projekt angenommen wird. Vor allem älteren Menschen ermögliche es eine größere Unabhängigkeit. Doch auch Jüngere dürften dieses Angebot nutzen. Tina Holz setzt darauf, dass die Nachfrage größer wird, wenn der Golf ein paarmal unterwegs war. Sie ist beim Gemeindeverwaltungsverband für die Organisation und Koordination des Projektes zuständig. Das sei nun nach einem langen Vorlauf schneller angelaufen als gedacht, sagt sie. „Der Start war recht kurzfristig, es war nicht ganz klar, wann das Auto kommt.“

Sechs Gemeinden standen Pate

Das E-Bürgerauto hat auch schon einen Namen: Lorenz. Pate standen die sechs Verbandsgemeinden Aichelberg, Bad Boll, Dürnau, Gammelshausen, Hattenhofen und Zell. Jede hat einen Buchstaben beigesteuert. In der Zeit von 8 bis 18 Uhr soll das Bürgerauto an den Wochentagen künftig im Verbandsgebiet unterwegs sein. Fahrten darüber hinaus sind tabu. Geordert werden kann es an den Wochentagen telefonisch zwischen 10 und 16 Uhr. Es ist auch möglich, eine Woche im Voraus zu buchen. „Die Fahrgäste werden von zu Hause abgeholt“, sagt Tina Holz. Sie hofft, dass sich noch mehr ehrenamtliche Fahrer finden. Die Voraussetzung dafür sei lediglich der Besitz eines Führerscheins.

Die Beförderung ist für die Fahrgäste unentgeltlich, aber Spenden sind willkommen. Die laufenden Kosten, rund 2000 Euro im Jahr, trägt der Verwaltungsverband. Finanziert hat das Auto, das rund 32 000 Euro gekostet hat, der Krankenpflegeverein Raum Bad Boll. Den Strom steuert das Autohaus Ratzel in Zell bei, wo das Auto auch stationiert ist. Die Reichweite sei mit 200 Kilometern angegeben, sagt der Fahrer Dahlmann. Vermutlich sei es aber etwas weniger, vor allem im Winter, wenn das Fahrzeug auch über den Akku beheizt werden müsse.

Auf zwei Jahre ist das Projekt zunächst angelegt. „Dann wollen wir Bilanz ziehen“, sagt der Verbandsvorsitzende, der Hattenhofener Bürgermeister Jochen Reutter. Sollte Lorenz sehr gut angenommen werden, dann wolle man schauen, wie man das Projekt ausbauen könne.

Dorfmobil-Traum in Eschenbach ist vorerst geplatzt

Die Enttäuschung ist groß. Vorerst wird es kein E-Dorfmobil in Eschenbach geben. Der Verband Region Stuttgart unterstützt dieses Projekt, das Modellcharakter für kleinere Kommunen hätte haben können, nun doch nicht. „Wir sind hinten runtergefallen, die Region schüttet viel Geld aus, in der Regel geht es an große Gemeinden“, sagt der Bürgermeister Thomas Schubert. Mit 2200 Einwohnern wäre Eschenbach der kleinste Ort im Kreis Göppingen mit eigenem Dorfmobil gewesen. Noch im Sommer hatte die Region signalisiert, der Kommune eventuell eine Starthilfe in Höhe von 50 bis 70 Prozent der Anschaffungskosten eines elektrisch betriebenen Autos zu geben. Daraufhin hatte die Verwaltung einen Antrag eingereicht.

So bitter die Absage auch sei, aufgeben will Thomas Schubert nicht. „Ich möchte schauen, was es vielleicht beim Bund zu holen gibt“, kündigt er an. Das Dorfmobil hätte nicht nur für bürgerschaftliche Fahrdienste genutzt werden sollen, sondern auch für Carsharing. rik