Im Staatlichen Schulamt in Nürtingen wäre die Leiterin, Corina Schimitzek, froh, wenn sich nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer freiwillig melden würden. Diese fehlen vor allem an den Grundschulen und an den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Foto: dpa

Schon zu Schuljahresbeginn ist die Lehrerversorgung nicht sichergestellt. Die Gewerkschaft GEW befürchtet, dass die Kollegien im Laufe des Jahres durch Krankheit und Schwangerschaft weiter ausgedünnt werden.

Nürtingen - Es hätte noch schlimmer kommen können. In letzter Minute hat Corina Schimitzek, die Leiterin des Staatlichen Schulamts Nürtingen, noch neun Lehrerinnen und Lehrer motivieren können, ihren Hut in den Ring zu werfen. Es sind vor allem Pädagogen im Ruhestand, auf die sie ein Auge geworfen hat. Der älteste dürfte Wolfgang Haug sein. Der ehemalige Schulleiter aus Leinfelden-Echterdingen ist im April 75 Jahre alt geworden. Er wird nun Seite an Seite mit 124 Neulingen und den erfahrenen Kräften in den Lehrerkollegien unterrichten.

Doch auch der Einsatz eines pädagogischen Überzeugungstäters wie Haug ändert nichts daran, dass acht weitere Stellen an den 105 Grundschulen im Landkreis Esslingen noch nicht besetzt sind. Im Bereich der sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren fehlen neun Lehrkräfte, um den Pflichtunterricht abzudecken. „Wir müssen schon jetzt zum Teil in den Bereich Unterrichtskürzungen gehen“, sagt die Schulamtschefin, die beteuert, vor allem die kleinen Grundschulen im Kreis nicht antasten zu wollen.

In der Regel beträgt der Lehrerschwund bis zu fünf Prozent

Das Korsett der solcherart auf Kante genähten Lehrerversorgung könnte sich allerdings im Laufe des Schuljahres noch an anderer Stelle als zu eng erweisen. „In der Regel verzeichnen wir über das Jahr gesehen einen Schwund von bis zu fünf Prozent, weil Lehrkräfte krank oder Lehrerinnen schwanger werden“, sagt Corina Schimitzek. Das würde bei rund 2500 Lehrkräften, die an Grundschulen und Werkrealschulen arbeiten, ein noch größeres Loch in die Personaldecke reißen.

Angesichts der zu erwartenden Proteste richtet sich die Schulamtschefin zu Schuljahresbeginn mit zwei Botschaften an die Eltern. „Wir versuchen alles, aber wir haben keine Lehrer in der Schublade versteckt“, und: „Klassengröße und Schulerfolg haben nichts miteinander zu tun.“ Die Hängepartie dürfte trotz der von Schimitzek mit lobenden Worten bedachten Investitionen des Landes in den Bildungsbereich noch mindestens zwei Jahre anhalten. Erst dann, so die Pädagogin, sei Abhilfe in Sicht. „An den Lehrerseminaren haben sich die Ausbildungszahlen schon verdoppelt. Das wird sich zeitverzögert auch auf die Lehrerversorgung auswirken“, sagt sie.

Gewerkschaft fordert schnelles Gegensteuern

Für die Interessensvertretung der Lehrer war die Entwicklung absehbar. „Wir fordern seit Jahren eine Lehrerreserve von 108 Prozent“, sagt David Warneck. der Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Esslingen. Da sei die Landesregierung gefordert, wie auch bei der Erhöhung der Kapazitäten an den Pädagogischen Hochschulen. „Wir erwarten bis zum Jahr 2020 einen deutlichen Schülerzuwachs. Bei einer Vorlaufzeit von vier Jahren in der Lehrerausbildung muss jetzt gehandelt werden“, sagt Warneck. Der Gewerkschafter wirft der Kultusministerin Susanne Eisenmann vor, mit der Einstellung pensionierter Lehrer Flickschusterei zu betreiben, statt die Probleme strukturell anzugehen.