Mit einer Null-Toleranz-Strategie versucht die Hamburger Polizei gewaltbereiten Protestierern Herr zu werden. Der Ansatz ist politisch umstritten. Foto: dpa

Beim G20-Gipfel in Hamburg ist es zu massiven Ausschreitungen gekommen. Christdemokraten stellen sich hinter die Einsatztaktik der Polizei, die Opposition erhebt dagegen schwere Vorwürfe.

Berlin - Die Union stärkt der Hamburger Polizei für ihren harten Kurs gegenüber gewalttätigen Demonstranten den Rücken. „Wenn eine Demonstration so offenkundig schon im Vorfeld als gewaltbereit erkennbar ist, dann ist kompromisslose Stärke die beste De-Eskalationsstrategie“, sagte der CDU-Innenexperte Armin Schuster.

Deshalb teile er die Hamburger Polizeitaktik „komplett“. Sie sei „kompromisslos, offensiv und durch eine niedrige Einschreitschwelle geprägt“ gewesen. Schuster forderte als Konsequenz aus den Krawallen „das Erstellen einer Linksextremisten-Datei, die alle szenebekannten Gefährder“ verzeichnet. Vorbild soll die gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus in Deutschland (RED) sein.

Schuster sagte, die Datei böte die Möglichkeit, „im Vorfeld von gewaltgeneigten Großdemos Gefährder mit Meldeauflagen, Reise- und Demonstrationsverbote zu belegen“. Dagegen hält die SPD nichts von neuen Gesetzen. „An Gewalt in der politischen Auseinandersetzung dürfen wir uns nie gewöhnen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. „Dennoch halte ich nichts davon, jetzt wieder reflexhaft nach schärferen gesetzlichen Regelungen zu rufen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind vorhanden, sie müssen nur konsequent und schnell von der Justiz angewandt werden.“

„Polizei hat zur Eskalation erheblich beigetragen“

Irene Mihalic, innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, sagte, das Vorgehen der Einsatzleitung der Hamburger Polizei habe „ zur Eskalation der ohnehin angespannten Lage erheblich beigetragen“. Es könne keine deeskalierende Strategie sein, „einfach ungezielt ein Gemisch aus Wasser und Reizgasen in den gesamten Demonstrationszug zu werfen“. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping warf der Polizeiführung und den politisch Verantwortlichen in Hamburg vor, „den berechtigten und friedlichen Protest gegen den G-20-Gipfel fortwährend zu kriminalisieren und ihn mit allen Mitteln zu behindern“.

Die Polizei hatte am Donnerstagabend einen Demonstrationszug von über 10 000 Menschen unmittelbar nach seinem Start gestoppt, nachdem sich nach Polizeiangaben ein „schwarzer Block“ der sich innerhalb des Zuges aus über tausend mit Kapuzen und Tüchern Vermummten gebildet hatte. Über die Größe des Blocks gibt es unterschiedliche Angaben. Die Polizei spricht von 3500 Extremisten vor Ort. Aus den Reihen der Demonstranten wurde der Block auf rund 1000 Menschen geschätzt.

Der Begriff „scharzer Block“ ist irreführend

Der auch von der Polizei benutzte Begriff „schwarzer Block“ ist allerdings leicht irreführend, denn er legt nahe, hier handele es sich um eine einheitlich und gemeinschaftlich handelnde Gruppe. Brauchbar ist der Begriff nur, wenn er sich auf das rein Äußerliche bezieht. Die Mitglieder eines schwarzen Blockes verbergen ihr Gesicht hinter Kapuzen, Tüchern oder Sonnenbrillen.

Ziel ist das Erschweren der Identifizierung durch die Polizei. Allerdings ist der schwarze Block keine zentral gelenkte Organisation. Der Block wird fast immer aus Demonstranten gebildet, die sich zwar alle mehr oder weniger klar als sogenannte „Autonome“ bezeichnen. Ihnen allen ist gemein, dass sie die Staats- und Gesellschaftsordnung als autoritär ablehnen, die sie zugunsten einer anarchistisch, selbstbestimmten Ordnung überwinden wollen. Dazu akzeptieren sie in unterschiedlichen Graden auch Gewalt.

Das Erobern solcher selbst bestimmter „Freiräume“ ist ein Ziel. In diesen Zonen werden staatliche Regeln oder Repräsentanten wie die Polizei nicht akzeptiert. Solche Zonen können besetzte Häuser sein. Zu bundesweiter Bekanntheit als autonome Zentren sind etwa die Rigaer Straße in Berlin oder das Hamburger Schanzenviertel gekommen. Der Verfassungsschutz gibt die Zahl der Autonomen in Deutschland mit 6800 an. Unterhalb dieser sehr allgemeinen Ziele spalten sich die Autonomen in viele Klein- und Kleinstrichtungen auf. Die Frage, wer der eigentliche Gegner ist, bleibt in der Szene hoch umstritten. Die Antwort schwankt zwischen den Polen: der Nationalstaat oder das kapitalistische System. Die Autonomen bilden also zumindest ideologisch durchaus keinen einheitlichen Block.

Die Berliner Polizei hat ein anderes Konzept

Bei der Bekämpfung von Demonstrationen, in denen sich schwarze Blöcke gebildet haben, hat die Polizei unterschiedliche Strategien entwickelt. Auffallend ist, dass die Hamburger Polizei mit ihrer Null-Toleranz-Strategie einen anderen Ansatz gewählt hat als zum Beispiel die Berliner Polizei. Die hat im Zusammenhang mit den regelmäßigen 1.-Mai-Protesten in der Hauptstadt eine lange einschlägige Erfahrung. Sie hat in einem jahrelangen Prozess die Gewalttätigkeiten rund um den 1. Mai schrittweise reduzieren können.

In Berlin spricht man von einem „Konzept der ausgetreckten Hand“. Dazu gehören auch Vorfeldmaßnahmen wie der Aufbau stabiler Kommunikationswege mit den Demonstranten über szenekundige Zivilbeamte. Während der Demonstrationen soll die Polizei gleichzeitig massive Präsenz zeigen, aber auch größt mögliche Zurückhaltung üben. Kommt es aus dem Zug heraus zu Gesetzesverstößen sollen die Einsatzkräfte schnell und vor allem gezielt einschreiten und die Täter herausgreifen. In Hamburg wurde dagegen der gesamte Demonstrationszug gestoppt.