Von der Stadtbahn- (vorne) wie auch von der S-Bahn-Haltestelle „Nürnberger Straße“ ist das Krankenhaus für Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, schwer zu erreichen. Foto: Julia Bayer

Das Krankenhaus Bad Cannstatt ist nicht direkt mit dem ÖPNV erreichbar. Pläne für Abhilfe gibt es nicht und laut den Verantwortlichen von Klinikum, SSB und Bahn auch kaum Klagen. Bürger, Bezirksbeiräte und ein Chefarzt schlagen da ganz andere Töne an.

Bad Cannstatt - Bernd-Marcel Löffler sind keine Klagen bekannt. Und das wundert ihn. Es geht um die Anbindung des Krankenhauses Bad Cannstatt an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Der Bezirksvorsteher hält diese für „eher suboptimal“ wie er sagt. Von der Stadtbahn-Haltestelle „Nürnberger Straße“ sei das Krankenhaus „für fußläufig gut aufgestellte Menschen“ gut erreichbar, für andere, die keine langen Strecken bewältigen können, eher nicht. Bei der gleichnamigen S-Bahn-Haltestelle sehe es nicht besser aus.

750 Meter und 21 Höhenmeter sind es laut der Routenberechnung auf der Homepage des VVS (Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart) von der Stadtbahn-Haltestelle bis zum Krankenhaus. Neun Minuten Gehzeit sind dafür angesetzt. Sieben Minuten für 500 Meter und 13 Höhenmeter sind es von der S-Bahn. Berechnet ist immer der direkteste Weg. An der S-Bahn-Haltestelle stellen insbesondere die Treppen von der Nürnberger Straße zu den Gleisen und andersherum das größte Problem für Menschen mit einem Rollator, für Rollstuhlfahrer oder auch Eltern mit Kinderwagen dar. Zwar gibt es für jene eine Rampe – der Fußweg verlängert sich dadurch jedoch beträchtlich.

Vorschläge im Bürgerhaushalt

Im diesjährigen Bürgerhaushalt war die Anbindung ein Thema. In zwei Vorschlägen auf der Homepage der Stadt haben Bürger sie kritisiert: „Um von der Nürnberger Straße (U-Bahn) zum Krankenhaus zu kommen, muss man eine lange Treppe hochsteigen. Die einzige Strecke ohne Treppe besteht auf entgegengesetzter Seite, die speziell Krankenhausbesuchern überhaupt nichts bringt“, schreibt ein Bürger. „Die gegenüberliegenden Bahnsteige der S-Bahn-Haltestelle Nürnberger Straße sind nur über viele Treppen oder sehr lange Umwege mühselig zu erreichen.“ Das sei „eine Zumutung, da es sehr beschwerlich oder zeitaufwendig ist, die Seite zu wechseln“, schreibt ein anderer, der sich eine treppenlose Fußgänger-Unterführung unter den Gleisen wünscht. Auch auf der Facebook-Seite unserer Redaktion haben die Nutzer das Thema diskutiert. „Aus Richtung Schmidener Straße gibt es einen Fußgängertunnel unter der Eisenbahn durch, den kennen aber nur Anwohner. Der normale Weg ist unzumutbar weit“, schreibt einer von ihnen.

 

Wer das Krankenhaus Bad Cannstatt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen will, kommt nur bis zur Stadtbahn- oder...

Posted by Bad Cannstatt on  Mittwoch, 28. Oktober 2015

Der Kliniksprecherin Ulrike Fischer geht es ähnlich wie Bernd-Marcel Löffler. Sie weiß von so gut wie keinen Klagen. In diesem Jahr habe es bislang nur eine einzige Beschwerde über die Erreichbarkeit des Krankenhauses mit Bus und Bahn gegeben. Dementsprechend sei es auch kein Thema, mit dem sich das Klinikum Stuttgart eingehender beschäftigt. „Eine Buslinie mit ein oder zwei Haltstellen im Umfeld des Krankenhauses wäre sicherlich wünschenswert, dies liegt allerdings in der Entscheidungskompetenz der SSB“, sagt Fischer.

Die Bahn wird keinen Aufzug installieren

Dort liegen allerdings auch keine Beschwerden vor, wie die Sprecherin der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Birte Schaper, erklärt. Ebenso wie ein Sprecher der Deutschen Bahn, die für die S-Bahn-Haltestelle „Nürnberger Straße“ zuständig ist. Für diese fordert der Bezirksbeirat schon seit Jahren einen Aufzug, berichtet der Bezirksvorsteher Löffler. „Die Bahn ist diesem Wunsch aber bislang nicht nachgekommen“, sagt er. Das werde sie auch nicht, versichert der Sprecher des Verkehrsunternehmens. Ein Aufzug wäre anfällig für technische Probleme und Vandalismus. „Eine Rampe hingegen ist unkaputtbar“, sagt er. Dass der längere Weg ein Nachteil sei, verstehe er, trotzdem sei man mit der Rampe „nicht so schlecht bedient“.

Auch Britta Kurz vom Anna-Haag-Mehrgenerationenhaus, das in der Nähe des Krankenhauses liegt, kennt die Klagen. Besucher, Ehrenamtliche, Senioren aus dem Wohngebiet oder Eltern, die ihre Kinder mit dem ÖPNV in die Kita im Haus bringen, hätten teils Probleme. Ein überhand nehmendes Thema sei es aber auch bei ihnen nicht.

60 Prozent der Patienten beschweren sich

Anders sieht es in der Sprechstunde von Professor Ralf Lobmann aus. „Ich würde schätzen, dass 60 Prozent meiner Patienten berichten, dass es beschwerlich sei, das Krankenhaus zu erreichen“, sagte der ärztliche Direktor einer Fachklinik im Krankenhaus am vergangenen Mittwoch in der Bezirksbeiratssitzung. Seine Erfahrungen sind aktuell, sie stammen aus der jüngsten Zeit. Denn die Klinik ist erst im Juli dieses Jahres ins Krankenhaus im Espan gezogen. Er finde es schwierig, dass ein stadteigenes Krankenhaus derart abgehängt ist.

Die Bezirksbeiräte zeigten durch die Bank Verständnis. „Die Erschließung ist schon seit 20 Jahren ein Problem“, sagte Peter Mielert (Grüne). Und zwar sowohl, was den ÖPNV als auch den Autoverkehr angehe. Zudem ärgere ihn, dass die Haltestellen nicht den Namenszusatz „Krankenhaus Bad Cannstatt“ tragen. „Dafür werden horrende Summen verlangt“, klagt er.

Ruftaxi oder Shuttlebus als Alternative?

Siegfried Deuschle von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus schlug ein Ruftaxi der SSB als Alternative vor, Bernd Zimmermann von der FDP einen Shuttlebus. Der Bezirksvorsteher Löffler sagte, der Stadtseniorenrat solle konkrete Bedarfszahlen erheben. Gute Ideen, wie der Chefarzt befand. Die Finanzierung sei jedoch fraglich. „Das Klinikum Stuttgart kann das nicht bezahlen.“ Vorerst wird sich wohl nichts ändern. Zumindest Abhilfe für den ein oder anderen verspricht der Tipp eines Facebook-Nutzers. Er schreibt: „Es geht auch ohne Treppensteigen. Einfach mit der U-Bahn bis zur ,Antwerpener Straße‘ fahren und die Obere Waiblinger Straße zurücklaufen um dann auf den Prießnitzweg abbiegen. Von der Entfernung her kein großer Umweg, aber bequemer zu laufen.“