Bei vielen Fußballspielen der ersten und zweiten Bundesliga (wie hier in Stuttgart vor einem Spiel des VfB gegen den Karlsruher SC) hat die Polizei jede Menge zu tun, um die Ordnung zu gewährleisten. Bisher zahlt dies der Steuerzahler. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Bremen gewinnt vorerst einen Rechtsstreit über Gebühren für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen. Die Landtags-SPD fordert dies auch für den Südwesten. Der Landesinnenminister hält aber weiterhin nichts von einer Kostenbeteiligung.

Stuttgart - Nach dem Urteil des Bremer Oberverwaltungsgerichts, wonach sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den Polizeieinsatzkosten bei Risikospielen in Bremen beteiligen muss, werden auch im Südwesten Rufe nach einer Kostenbeteiligung laut. „Bremen zeigt Innenminister Thomas Strobl auf, was alles möglich ist. Der kann nun Mumm beweisen und dem Beispiel folgen“, sagte der SPD-Fraktionsvize im baden-württembergischen Landtag, Sascha Binder, unserer Zeitung.

Strobl jedoch zeigt sich reserviert: Zum einen habe die Fußball-Liga bereits angekündigt, Revision einzulegen, es gebe also noch immer keine Rechtssicherheit, erklärte er. Zum anderen erhöhe ein Kostenersatz nicht die Sicherheit bei Fußballspielen und entlaste nicht die Polizei. „Uns geht es um Sicherheit, nicht ums Abkassieren“, so Strobl. Es gehe gerade nicht darum, an den „Symptomen herumzudoktern“, sondern an die Ursachen und Wurzeln zu gehen. Deshalb wolle er den Weg der „Stadionallianzen“ gehen, der Sicherheit durch eine intensivere Zusammenarbeit aller Sicherheitsakteure vor Ort schaffe.

Es geht um 415 000 Euro

Das Bremer Oberverwaltungsgericht hatte am Mittwoch entschieden, dass ein Bremer Gebührenbescheid an die DFL rechtskräftig ist. Damit hat es ein anderslautendes Urteil der ersten Instanz aufgehoben. DFL-Präsident Reinhard Rauball bekräftigte anschließend, dass der Verband Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen werde. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sprach von einem „großen Schritt nach vorne“ und einem „guten Tag für die Steuerzahler“. Mäurer will jetzt bei den anderen Bundesländern dafür werben, dass sie ebenfalls eine solche Gebührenregelung einführen.

In dem Musterprozess ging es um die erste von mittlerweile sieben zugestellten oder angekündigten Polizeirechnungen an die DFL im Gesamtumfang von mehr als zwei Millionen Euro. Die erste Rechnung von 2015 für ein Spiel Werder Bremen gegen den HSV belief sich ursprünglich auf 425 718,11 Euro; wegen strittiger Einzelposten reduzierte der Innensenator den Betrag inzwischen auf 415 000 Euro. Nach Ansicht des Gerichts ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine Kernaufgabe des Staates. Für „individuell zurechenbare“ Leistungen dürften aber Gebühren erhoben werden. Veranstalter von Großereignissen hätten ein Interesse an der störungsfreien Durchführung ihrer Events und zögen daraus wirtschaftlichen Nutzen. Daher stünden sie einem vergrößerten Polizeiaufgebot „näher als die Allgemeinheit“. Sie könnten deshalb zu den Kosten der „überdurchschnittlichen Beanspruchung des staatlichen Sicherheitsapparates“ herangezogen werden, wie die Gerichtsvorsitzende Ilsemarie Meyer sagte. Die Bremer Gebührenregelung verstößt demnach auch nicht gegen das Grundgesetz. Weder die Eigentumsgarantie noch die Berufsfreiheit der DFL oder das Gleichheitsgebot würden dadurch verletzt.

Der DFL wird Mitverantwortung zugesprochen

Strittig war auch, ob die Polizei ihre Rechnung nicht eher an Werder als an den Ligaverband hätte adressieren müssen. Dazu stellte das OVG fest, dass die DFL zumindest Mitveranstalterin der Bundesliga-Begegnungen sei. Sie sei für die übergreifende Organisation zuständig und besitze die Vermarktungsrechte. Bei mehreren „Kostenschuldnern“ könnten Behörden weitgehend frei entscheiden, wem sie die Rechnung zustellen. Wie die Kosten dann zwischen den einzelnen Mitveranstaltern aufgeteilt würden, sei deren Sache.

In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht 2017 vor allem gerügt, dass die Höhe der zu erwartenden Gebühren für die DFL nicht genug vorhersehbar sei. Das OVG als Berufungsinstanz meinte dazu, die genauen Kosten hingen von etlichen Faktoren ab, die vorher nicht genau zu beziffern seien; diese Ungenauigkeit bewege sich aber „im Bereich des rechtsstaatlich Vertretbaren“. Auch die Höhe der Rechnungsposten sei nicht zu beanstanden. Bezahlt werden müssten nur die Auslagen der auswärtigen Polizeikräfte, hier zum Beispiel 80 Euro pro Hoteldoppelzimmer und neun Euro pro Frühstück. Insgesamt waren damals 969 Polizisten im Einsatz.

Ligapräsident weist die Verantwortung zurück

Wegen der besonderen Bedeutung des Falles ließ das OVG eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Ligapräsident Rauball erklärte: „Die rechtliche Wertung des Oberverwaltungsgerichts ist aus Sicht der DFL bei allem Respekt unzutreffend. Die DFL wird daher Revision gegen das Urteil einlegen.“ Fußball sei nicht Verursacher von Gewalt. „Es ist für uns weiterhin nicht nachvollziehbar, dass der Fußball für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die eine Kernaufgabe des Staates ist und der Allgemeinheit zugutekommt, verantwortlich sein soll.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erwartet eine Klärung erst in letzter Instanz. „Für die Polizei hat das heutige Urteil zunächst keine Auswirkungen. Nach wie vor hängt der sogenannte Kräfteansatz bei der Sicherung von Ligaspielen von den Lageeinschätzungen der Polizei ab. Daran wird dieses Urteil und auch folgende nichts ändern“, stellte der GdP-Bundesvize Arnold Plickert fest. Dennoch habe das Urteil in der GdP für Überraschung gesorgt. Bisher sei man davon ausgegangen, dass der Staat für die Sicherheit von Ereignissen im öffentlichen Raum zuständig sei. Sollte das Urteil am Ende rechtskräftig werden, befürchtet die GdP eine finanzielle Zurückhaltung der Clubs bei Präventionsmaßnahmen.

Die Landtags-SPD sieht sich in ihrem Antrag bestätigt, lediglich den bei Hochrisikospielen notwendigen zusätzlichen Polizeieinsatz vergüten zu lassen. „Die Auffassung des Gerichts, dass die Kosten nur dann in Rechnung gestellt werden dürfen, wenn diese die sonst üblichen Beträge bei friedlichen Großveranstaltungen übersteigen, teilen wir uneingeschränkt und hatten genau diesen Aspekt auch in unserer Gesetzesinitiative berücksichtigt“, sagte Binder.