Das Topmodel Gisele Bündchen kritisiert Präsident Temer – damit ist sie nicht alleine. Foto: Imago

Die Brasilianer sind von der Politik und Präsident Temer tief enttäuscht. Viele fordern eine Militärregierung. Auch Topmodel Gisele Bündchen zeigt sich tief enttäuscht von der brasilianischen Politik.

Rio de Janeiro - Topmodel Gisele Bündchen kamen auf offener Bühne die Tränen: Ihre Aufforderung zum Schutz des Amazonas-Regenwalds feiern in diesen Tagen Hunderttausende Besucher des größten Rockfestivals des Kontinents. „Fora Temer, fora Temer“ (Temer raus) riefen die Zuschauer am Eröffnungstag des Festivals Rock in Rio, das noch bis zum nächsten Wochenende andauert. Brasiliens Präsident Temer hatte jüngst einen großen Teil des Regenwalds für den Bergbau freigegeben und damit Umweltschützer gegen sich aufgebracht. Der Vorstoß gilt als Dankeschön Temers an die mächtige Agrarlobby, die im Gegenzug den Präsidenten vor einem Amtsenthebungsverfahren wegen Korruption im Parlament schützte. „Schande, sie versteigern unseren Amazonas“, twitterte Bündchen daraufhin erbost.

Das Topmodel ist nur eine von vielen Millionen Brasilianern, die tief enttäuscht sind von der brasilianischen Politik.   Es sind wieder einmal emotionale und spannende Tage in Brasilien, die auch das Rockfestival tangieren. Am Wochenende brachten Schießereien in der Favela Rocinha Momente der Angst bei vielen Besuchern, die an dem Armenviertel vorbei in Richtung Festivalgelände mussten. Die Tageszeitung „O Globo“ berichtete von Überfällen und eingeschüchterten Touristen. Brasilien und Rio de Janeiro ist ein Jahr nach den Olympischen Spielen und den Paralympics in ein Chaos abgeglitten, die Gewalt ist zurück.

Die neue Generalstaatsanwältin gilt als neue Schlüsselfigur

Der hochumstrittene Temer ist vor allem damit beschäftigt sich selbst zu retten.   Für Temer gehen seit Montag dieser Woche die Uhren anders, denn mit Raquel Dodge (56) hat eine neue Generalstaatsanwältin die Amtsgeschäfte des klagewütigen Vorgängers Rodrigo Janot übernommen, der als einer seiner letzten Amtshandlungen Temer erneut wegen Korruption angezeigt hatte. Um die Immunität Temers aufzuheben, wäre jedoch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, die scheint derzeit nicht in Sicht. Auch wegen des umstrittenen Amazonas-Deals Temers mit der Agrarlobby. Die neue Generalstaatsanwältin gilt als neue Schlüsselfigur. Temer-Kritiker fürchten, dass sie dem Präsidenten deutlich nähersteht als Janot. Das würde bedeuten, der Präsident kann sich bis zum Ende seiner Amtszeit 2018 im Amt halten.  

In dieser Gemengelage werden Stimmen lauter, die nach einer harten Hand zur Lösung der nicht enden wollenden Korruptionsfälle rund um den Baukonzern Odebrecht und das staatliche Unternehmen Petrobras rufen. Nahezu alle politischen Parteien sind darin verwickelt. Der Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2010) ist bereits zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, muss die Haft jedoch erst nach der Urteilsbestätigung in zweiter Instanz antreten. Lulas Anhänger werfen der Justiz eine politische Kampagne vor.

Es gibt bereits Demonstrationen für eine Militärregierung

Am lautesten wagte sich General Antonio Hamilton Mourão vor. Der hatte jüngst ein Eingreifen der Militärs für den Fall angedroht, dass die Justiz die „politischen Probleme nicht löst“. Er sei sich mit der Armeeführung einig, dass dieser Moment eintrete, falls die Justiz nicht „die kriminellen Elemente aus dem öffentlichen Leben“ entferne. Während Brasiliens Verteidigungsminister Raul Jungmann nun von der Armeeführung eine Aufklärung der Putschandrohung forderte, feiern in den sozialen Netzwerken immer mehr Brasilianer den General als mutigen Brasilianer. Bereits jetzt gibt es Demonstrationen für eine Militärregierung. Schon einmal hatten Militärs 1964 die demokratisch gewählte Regierung gestürzt und das Land bis 1985 mit brutaler Hand regiert.