René Pollesch steht nicht nur für ungewöhnliche Stücke, sondern auch für ebenso ungewöhnliche Titel. Diese Inszenierung aus dem Jahr 2009 hieß „Wenn die Schauspieler mal einen freien Abend haben wollen, übernimmt Hedley Lamarr“. Foto: dpa

Das Autokino soll im Juli zur Open-Air-Bühne für das Schauspiel Stuttgart werden.

Kornwestheim - Am 1. Juli gibt es im Kornwestheimer Autokino eine zweifache Premiere: Das Kino-Areal im Norden der Stadt zeigt erstmals seine Qualitäten als Theaterspielstätte. Und es wird gleichzeitig Ort der Uraufführung von „Stadion der Weltjugend“ – dem neuen Stück des Dramatikers und Regisseurs René Pollesch am Stuttgarter Staatstheater.

Das Medium Film durchzieht die Werke des nimmermüden und mehrfach geehrten Textkreators Pollesch. Spielen seine Texte und Inszenierungen doch immer wieder mit Filmtiteln, -zitaten und -inhalten. Dass der neue Pollesch-Stoff aber gleich ganz ins Kino verlegt wird, ist dennoch eher einem Zufall geschuldet, wie Rebecca Rasem, die Sprecherin des Stuttgarter Schauspiels, berichtet. „Wir haben einen Spielort im Raum Stuttgart gesucht. Zunächst war an ein Einfamilienhaus gedacht.“ Was die Schauspieler drinnen gespielt hätten, wäre dann für die Zuschauer nach draußen übertragen worden – „live gefilmte Videos spielen bei René Pollesch ja immer eine Rolle“, sagt Rasem. „Wir haben verschiedene Häuser angeschaut.“ Doch angesichts der extrem angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart habe sich die Idee nicht verwirklichen lassen.

Bei den Theaterzuschauern soll Autokino-Feeling aufkommen

Glück für Kornwestheim. René Pollesch, die Dramaturgin Anna Haas und die Bühnenbildnerin Barbara Steiner entschieden sich fürs Drive-In-Autokino – „eine großartige Option“, wie Rebecca Rasem findet. Man sei angetan von dem Ort und von der Offenheit der Kinobetreiber. „Sie gehen sehr wohlwollend mit der Idee um. Überhaupt erleben wir die Autokino-Szene als sehr entspannt.“

Und Autokino-Feeling soll bei den Theaterzuschauern bei dem Stück tatsächlich aufkommen: Dadurch, dass das Spiel der Darsteller per Live-Kamera zeitgleich auf die 24 Meter breite, zehn Meter Kino-Bildwand übertragen wird. Das Publikum schaut das Ganze aus dem Auto heraus an; der Ton wird über UKW direkt ins Autoradio übertragen. „Wenn die Autoplätze ausverkauft sind oder Zuschauer das Stück lieber im Freien sitzend anschauen wollen, werden dafür aber auch Stühle bereitstehen“, verspricht Rasem. Vor Ort könnten Radios ausgeliehen werden, auch mit einem UKW-Radio-fähigen Handy sei der Ton zu empfangen.

Der Inhalt des Stücks wird noch entwickelt

Geprobt wird seit vergangener Woche auf einer Probebühne – erst kurz vor der Premiere wechselt das Ensemble aufs Autokino-Gelände. „Bis dahin muss unsere Technik alles einrichten. Eine Herausforderung ist es schon“, sagt die Theatersprecherin, „aber auch etwas ganz Besonderes, ein echtes Sommertheater-Event.“ Das Schauspiel hoffe nun, dass auch das Publikum sich experimentierfreudig zeige und sich für die Pollesch-Produktion auf den Weg nach Kornwestheim mache.

Zu deren Inhalt gebe es übrigens noch nichts Detailliertes zu sagen, erklärt Rasem. Ebenso, welchen thematischen Zusammenhang es zum Stadion der Weltjugend – dem ehemals größte Leichtathletik- und Fußballstadion der DDR in Ost-Berlin – geben wird. „René Pollesch sucht sich immer sehr sprechende Titel aus, entwickelt die Stücke dann aber erst während der Probenphase zusammen mit den Schauspielern.“ Pollesch-Fans wissen, dass sie sich auf in halsbrecherischem Tempo vorgetragene Textkaskaden im Spektrum zwischen Turbokapitalismuskritik, Soziale-Medien-Leere, Sinn-, Bedeutungs- und Liebessuche einstellen können.

„Ich finde es immer gut, wenn kulturelle Veranstaltungen nach Kornwestheim kommen, kann aber dem Gemeinderat nicht vorgreifen“, sagt die Oberbürgermeisterin Ursula Keck zu dem Theaterprojekt. Der Autokino-Pächter müsse erst einen Antrag auf Unterverpachtung stellen. Über diesen wird dann voraussichtlich in der Gemeinderatssitzung am 31. Mai entschieden.

„Stadion der Weltjugend“ im Autokino

Karten
Tickets werden wegen des Erklärungsbedarfs zum Autokino-Drumherum nicht übers Internet, sondern nur an der Theaterkasse, telefonisch unter 0711 /20 20 90 und an der Abendkasse verkauft. Die Karten kosten pro Person zwölf, ermäßigt acht Euro. Es gibt auch ein Ticket fürs Auto. Wenn diese vergeben sind, gibt es noch Stuhlplätze.

Vorstellungen Die Uraufführung ist am Freitag, 1. Juli. Weitere Termine sind der 2., 7., 8., 9., 14., 15., 16., 21., 22. und 23. Juli, jeweils 21.30 Uhr.

Mitfahrbörse Das Schauspiel Stuttgart hat eine Mitfahrbörse initiiert – für freie Sitze im Auto oder Mitfahrgelegenheiten ins Autokino.