Der Fischbestand an der Jagst erholt sich nach dem Chemieunfall 2015 nur langsam. Daran soll auch der Kormoran schuld sein. Foto: dpa

Der Fischbestand an der Jagst erholt sich nur langsam. Regierungspräsidium, Fischer und Naturschützer gehen nun gemeinsam gegen den Kormoran an der Jagst vor.

Dörzbach - Vom Bauhof in Dörzbach (Hohenlohekreis) sind es nur ein paar Hundert Meter über die nassen Wiesen Jagst abwärts. Sträucher, Weiden und mittelgroße Bäume säumen den Fluss. Eine rund 20 Meter hohe Birke sticht aus dem winterlichen Graubraun heraus. Nicht nur die Borke, nein, der gesamte Baum ist weiß. Markus Hannemann redet nicht lange herum. „Der ist komplett vollgeschissen“, sagt der Sprecher der Fischhegegemeinschaft Jagst über den Schlafbaum der Kormorane.

Die Jagst-Pächter kennen die Plätze der tierischen Konkurrenz natürlich genau. Der 80 bis 90 Zentimeter große Vogel verputzt nämlich Fisch, 300 Gramm am Tag, sagen Vogelschützer, 500 Gramm , sagen Angler. Der Fraßdruck, wie die Experten diesen so oder so gewaltigen Appetit nennen, auf die stark geschädigte Jagst ist groß. Nach dem Chemieunfall bei Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) waren im August 2015 rund 20 Tonnen Fische verendet.

Naturschützer und Fischer zählen Seit’ an Seit’

Seit Jahresbeginn sind Hannemann und die Seinen nun in amtlicher Mission unterwegs – begleitet von jeweils einem Vogelschützer. Drei Jahre lang erfassen 13 solcher Tandems von der Jagst bis zur Mündung in den Neckar das Aufkommen der Kormorane, um eine verlässliche Zahlengrundlage zu erarbeiten. Diese wird ein Fachbüro auswerten und daraus Empfehlungen ableiten. Die gemeinsame Aktion ist Ergebnis eines Burgfriedens, den das Regierungspräsidium Stuttgart (RP), die Fischhegegemeinschaft Jagst und der Landesfischereiverband Baden-Württemberg wie berichtet quasi in letzter Minute geschlossen haben. Die Angler hatten im Sommer 2016 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage gegen das RP eingereicht, um eine durchgängige Bejagung der Fischräuber zu erstreiten. Jetzt haben sich die Parteien außergerichtlich geeinigt und zählen gemeinsam mit dem Ziel, die Anzahl an Kormoranen „effizienter und naturverträglicher“ zu regulieren.

Kurt Mezger vom Regierungspräsidium Stuttgart, der in dem Projekt als Mediator zwischen Fischern und Vogelschützern vermitteln soll, setzt auf die Vergrämung, wie sie in Bayern praktiziert wird. Kormorane schickten gegen Abend zunächst einen Erkundungstrupp an die Schlafbäume. Wenn Jäger diese Vögel abschießen, ziehe die Hauptgruppe ab, so Mezger. „Weniger Tiere töten und trotzdem einen optimalen Effekt erzielen“ sei das Ergebnis dieser „naturverträglichen Vergrämung“. Zudem würden dadurch andere Arten wie etwa der Eisvogel weniger gestört. Der Leiter der Abteilung Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Veterinär- und Lebensmittelwesen weiß, dass das Problem damit nicht aufgehoben, sondern verschoben wird. Die Kormorane weichen aus auf Flussabschnitte oberhalb des geschädigten Bereichs. Bei einer Probezählung Ende 2017 wurden dort 160 Vögel gesichtet.

Kormoranen und Fischern fehlen Fische

Martin Zorzi vom Umweltzentrum Schwäbisch Hall erfasst die Beobachtungen der Zählgruppen. „Die meisten Kormorane sind oberhalb von Crailsheim gezählt worden“, sagt er. Insgesamt, so interpretiert er den Befund, seien die Zahlen aber rückläufig. Rund 180 Kormorane seien im Januar an der gesamten Jagst registriert worden. Das sei „keine Riesenmenge für den gesamten Fluss“. Den Naturschützer überrascht das nicht: „Kormorane merken doch, wenn sich ein Beutezug nicht lohnt.“

Denn um das Leben in der Jagst ist es nach wie vor nicht gut bestellt. Bestandsaufnahmen im Herbst 2016 sowie im Frühjahr und Herbst 2017 ließen zwar eine „leichte Erholung des Fischbestandes“ erkennen, teilt das RP mit, aber „die geringsten Fischdichten und die niedrigste Artenzahl wurden bei Diembot zehn Kilometer unterhalb der Einleitungsstelle gefunden“.

Als die Gruppe sich dem Schlafbaum bei Dörzbach nähert, fliegen 17 große schwarze Vögel auf. „Die lassen sich jetzt am nächsten Baum bei Klepsau nieder“, sagt Hannemann. Oder sie ziehen weiter Richtung Kocher. Dort klagen Fischer nämlich bereits über steigende Kormoran- und rückläufige Fischzahlen.