Soll es auch in Deutschland ein Kopftuchverbot an Grundschulen geben? Foto: dpa

Tücher haben nichts auf den Köpfen kleiner Mädchen verloren. Religionsfreiheit darf nicht wichtiger sein als die Menschenrechte der Kinder, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart - Das Kopftuch bleibt in westlichen Gesellschaften eine kontroverse Angelegenheit. Jetzt also testet Österreich mit einem Verbot an Grundschulen die Grenzen der kulturellen Freiheit und schwappt damit auch in die deutsche Integrationsdebatte. Die Gegner des Banns pochen auf das Elternrecht, bei der religiösen Orientierung ihrer Kinder die Richtung vorzugeben, und die verfassungsmäßig verbriefte Religionsfreiheit. Zudem wittern sie islamfeindliche Motive. Die Befürworter indes führen an, das Kopftuch – Symbol für die Unterdrückung der Frau – norde kleine Mädchen früh als sozial minderwertig in die geistige Enge eines konservativen Islam ein.

Der Hintergrund: In der islamischen Welt sinkt seit Jahren das Alter, in dem Mädchen ihren Kopf bedecken – normalerweise in der Pubertät. Erzkonservative Muslime auch in Deutschland folgen dem Trend. Die Internetseiten einschlägiger Islamverbände quellen über mit Fotos von verhüllten Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Diese Islamisten machen das Kopftuch zur politischen Frage. Sie fordern Toleranz und Freiheit, lenken damit aber nur geschickt ab von der Frage nach Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau.

Dieses Weltbild hat in einer staatlichen Schule einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren. Mit Intoleranz gegenüber kultureller Vielfalt hat das nichts zu tun. Die Schule sollte ein Freiraum sein, wo Kinder – nicht nur muslimische Mädchen – Gleichberechtigung und Respekt, mitunter auch Alternativen zur geistigen Enge der Eltern erleben. Das Kopftuch bei kleinen Mädchen ist keineswegs religiös motiviert. Bei allem Respekt vor dem Grundgesetz: Aber Religionsfreiheit darf nicht wichtiger sein als die Menschenrechte der Kinder.

michael.weissenborn@stuttgarter-nachrichten.de