Klavier und Gitarre gehören zu den begehrtesten Instrumenten: An der Musikschule müssen Kinder bis zu zwei Jahre warten, bis sie dort unterrichtet werden. Foto: 82770530

Stärker als bisher sollen Kinder in Ganztagsschulen musikalisch gefördert werden. Die Stadt Stuttgart will zusammen mit der Musikschule einen Instrumentenpool einrichten. Doch beim Klavierunterricht gibt es lange Wartelisten.

Stuttgart - Klavier, Gitarre, Geige: Bisher haben fast ausschließlich nur diejenigen Kinder ein Instrument gelernt, die frühzeitig an der Musikschule angemeldet waren, dort geduldig die Warteliste abgewartet oder sonstigen Privatunterricht bekommen haben. Denn in der Grundschule hatte musikalische Bildung in den letzten Jahren keinen großen Stellenwert – auch weil es kein eigenes Schulfach gab. Seit diesem Schuljahr gibt es das wieder. Und Schulbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) will zudem mehr Musikangebote in den Ganztagsschulen installieren. Das Konzept stellte sie im Schulbeirat und im Verwaltungsausschuss vor.

So sollen in Ganztagsschulen auch Kinder einen Zugang zur Musik und zu Instrumenten bekommen, „die von sich aus den Weg zur Musikschule nicht finden würden“. So drückt es Friedrich-Koh Dolge aus, der als Leiter der Stuttgarter Musikschule und als Kooperationspartner an dem Konzept beteiligt ist.

Geplant ist nicht nur eine Ausweitung der elementaren musikalischen Grundbildung, etwa Singen und Rhythmik. Es soll auch für 100 000 Euro ein zentraler Instrumentenpool eingerichtet werden, der von der Musikschule gepflegt und verwaltet und mobil an den Schulen eingesetzt werden soll. Beschafft werden sollen unterschiedliche Blasinstrumente – neben 20 Blockflöten auch Querflöte, Klarinette, Saxofon, Posaune, Eufonium; außerdem 30 Gitarren sowie als Streichinstrumente Geigen, Violoncelli, Bratschen, Kontrabass; außerdem ein Orff’sches Instrumentarium, zwölf elektronische Klaviere und diverse Trommeln.

Den Kindern sollen in der Ganztagsschule verschiedene Instrumente vorgestellt werden

Da stellt sich natürlich die Frage, wie solche zum Teil ja sehr diffizilen Instrumente im schulischen Ganztag eingesetzt werden. Zunächst, sagt Dolge, solle den Kindern selbst eine Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob sie überhaupt ein Instrument spielen wollen – und wenn ja, welches. Daher sollen die Instrumente den Kindern in den Ganztagsschulen, die sich die Musikschule als Partner gewählt haben, vorgestellt werden.

„Der Instrumentalunterricht selbst müsste dann in der Musikschule laufen“, erklärt Dolge – dort allerdings gegen Gebühr. „Wir dürfen ein entgeltpflichtiges Angebot machen, wenn es parallel dazu ein kostenloses Angebot für die Ganztagskinder gibt“, erklärt der Musikschulleiter. So sei es mit dem Kultusministerium vereinbart. Er betont aber: „Kein Kind muss aus sozialökonomischen Gründen vom Instrumentalunterricht der Musikschule ausgeschlossen werden.“ Die Gebühr könne auch über die Familien- oder Bonuscard und Teilhabeleistungen finanziert werden. „Und das Kind könnte sich bei uns ein Instrument leihen.“

Es gebe allerdings auch eine Vision: „Unser großer Wunsch ist, in die neu zu konzipierenden Schulcampus einbezogen zu werden“, sagt Dolge. „Dann könnten wir einen Teil des Instrumentalunterrichts dorthin auslagern.“ Pläne dafür gibt es etwa für den Neubau des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums in Bad Cannstatt, das mit der Eichendorffschule kooperiert.

Stadt prüft Standorte für Grundschule für musikalisch hochbegabte Kinder

Auch die Pläne für eine oder mehrere Grundschulen für musikalisch hochbegabte Kinder gehen voran – als Unterbau für das Musikgymnasium am Ebelu. Derzeit prüft das Schulverwaltungsamt mögliche Standorte mit genügend Raumkapazität, auch fürs Üben.

Dolge ist mit dieser Entwicklung zufrieden. Der gefürchtete Einbruch bei den Teilnehmerzahlen der Musikschule sei ausgeblieben. Nur vereinzelt hätten sich Eltern beschwert, dass ihr Kind wegen der Ganztagsschule nur noch eines statt zwei Instrumente lernen könne, aus Zeitgründen. Doch das neue Ganztagsschulkonzept sei ja zugleich auch „eine tolle Werbung für die Musikschule“, freut sich ihr Leiter. Denn es mache noch mehr Kindern Lust darauf, ein Instrument zu lernen.

Kleine Musikanten brauchen Geduld: 1900 stehen auf der Warteliste der Musikschule

Doch dafür brauchen die kleinen Musikanten erst einmal viel Geduld: Denn derzeit stehen bei der Musikschule 1900 Kinder auf der Warteliste: 505 wollen Klavier lernen, 362 Gitarre und 232 Violine. Angehende Nachwuchspianisten müssen in der Stadtmitte und in Vaihingen zwei Jahre warten, bis sie drankommen, in Feuerbach „nur“ bis zu einem Jahr. Für Violine dauert die Wartezeit in der Stadtmitte gut zwei Jahre, in Zuffenhausen unter einem Jahr. „In manchen Fächern – Querflöte und Gesang – ist eine Einteilung auch zeitnah möglich“, teilt die Musikschule mit.

Im Schulbeirat wurde Fezers Musikvorhaben im Ganztag begrüßt, aber auch als „ambitioniert“ bewertet. Barbara Graf, geschäftsführende Leiterin der Gymnasien, berichtete: „Wir haben am Hegel-Gymnasium einen Instrumentenpool im Wert von 60 000 Euro“ – und seit Jahren eine Bläserklasse. „Die Konzentrationsfähigkeit dieser Schüler nimmt signifikant zu.“