Der Vaihinger Kantorei ist ein überwältigendes Konzert gelungen. Foto: Martin Bernklau

Der Vaihinger Kantorei ist in der evangelischen Stadtkirche eine überwältigende Matthäuspassion gelungen. Und das bei einer Doppelaufführung.

Vaihingen - Das Gewaltige des Werks vermittelt sich selbst weniger musikalischen Menschen unmittelbar. In einem an sich schon staunenswerten gemeinsamen Kraftakt hat die Vaihinger Kantorei mit ihrer Dirigentin Gabriele Timm-Bohm Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion am Karmittwoch und am Gründonnerstag in einer Doppelaufführung in die jeweils ausverkaufte Stadtkirche gebracht. Und das in einer grandios eindrücklichen Geschlossenheit und durchgängig herausragenden musikalischen Klasse.

Diese rund drei Stunden dauernde Abfolge von wuchtigen Chören, ergreifenden Arien, eindrücklichen Chorälen und erzählenden Rezitativen hat Bach doppelchörig angelegt. Neben dem Chor ist auch das Orchester in zwei eigenständige Hälften bis hin zu zwei Orgelpositiven geteilt. Zu den professionellen Instrumentalisten des bewährten Ensemble harmonique kamen nicht nur die zweimal jeweils rund vierzig Sängerinnen und Sänger de Kirchenchors, sondern auch noch einmal dreißig Jungen und Mädchen aus der Kinderkantorei. Im ersten Teil legen diese wunderbaren Stimmen über den Doppelchor noch einmal eine Choralmelodie als Cantus firmus. Die Kinder standen halb links unter dem Kruzifix, die ganze Aufteilung war also über Eck angeordnet, den Emporen gegenüber.

Vor allem mächtigen, erschütternden Eingangschor „Kommt ihr Töchter, helft mir klagen“ erfährt diese Doppel-, gar Dreifachkonstellation ihre einzigartige Ausprägung. Schon hier zeigte sich, dass die Dirigentin genau um Maß und Mitte wusste. Klare Tempi ohne Galopp-Nummern, die den Chor unter hektischen Druck gesetzt hätten, durchweg einleuchtende Dynamik, Verzicht auf Überartikulation, Romantisierungen oder historisierenden Schnickschnack zeichneten die ganze lange Deutung aus, der sich auch die Solisten jeweils ganz individuell einfügten.

Sie waren alle gut, aber einer ragte sensationell heraus: Der junge, aus Ungarn stammende Tenor David Szigetvari bewältigte nicht nur die extrem kraftraubende Partie des Evangelisten, sondern auch seine zwei Arien mit spektakulärer Gestaltungskraft. Da war kein gepresstes Krähen, auch nicht das zeitweilig in Mode gekommene hektische, fast tonlose Berichten, und selbst seine Kopfstimme war von einer herrlich melodischen, sensiblen Musikalität. Während der ungewohnt bariton-helle Jesus-Bass Teru Yoshihara die eher schmale Ausdrucksmöglichkeiten der Partie doch fein abstufte, bestach der echte Bass Hans Christoph Begemann sowohl in den Rollen als auch in seinen Arien mit ungemein plastischer, agiler und doch geschmackssicherer Deklamation.

Nicht nur in der unvergleichlichen Arie „Erbarme dich“ verdichtete Particia Wagner ihre in den Lagen etwas unterschiedlich timbrierten Alt zu hoher Intensität. Viel Innigkeit brachte auch Isabelle Müller-Cant mit ihrer eher leichten Stimme in die Sopran-Partien, wobei auch sie variabel war, etwas zierlich-ornamental und vibratoreich vielleicht in den Hochlagen. Unter den exzellenten Instrumentalsolisten von Violinen bis Gambe ragten Oboe und Flöte doch noch heraus. Nur selten wirkte der Chor zäh, überzeugte aber durch seine gut dosierte Stimmkraft, die durchgehende Sicherheit und seine sensible Ausdrucksstärke. Dem grandiosen Gesamteindruck huldigten die Zuhörer mit der erbetenen, viele Minuten währenden Stille, bevor sich Beifall Bahn brach.