Aladdin schwebt wieder nach Stuttgart Foto: /Foto: Stage/van Meer

Während Musicalfans klagen, kein Geld für ausgefallene Shows zu erhalten, bitten Darsteller darum, Gutscheine zu akzeptieren. Nach Verhandlungen mit den Behörden hofft die Stage, am 15. Dezember mit dem Spielbetrieb starten zu können.

Stuttgart - Bei der Stage Entertainment erwacht der Spielplan aus dem erzwungenen Dornröschenschlaf. 15. Dezember 2020 – dies ist der neue Stichtag. Für diesen Termin und für die folgenden Winterwochen kann, wer im SI-Centrum „Tanz der Vampire“ oder „Aladdin“ nach den entbehrungsreichen Monaten des Lockdowns besuchen will, ab sofort Karten kaufen. Stephan Jaekel, Sprecher des Musicalmarktführers, berichtet im Gespräch mit unserer Zeitung von den Verhandlungen mit den Behörden in Stuttgart: „Es zeichnen sich erste Silberstreifen am Horizont ab, dass wir eine Lösung finden.“

„Vampire beißen mit Abstand wenig überzeugend“

Zwei Hürden müssten noch überwunden werden, sagt der Konzernsprecher. Zum einen sollten die Verantwortlichen akzeptieren, dass sich Musicaldarsteller auf der Bühne wie die Spieler beim Fußball auf dem Rasen nahe kommen. „Aus anderthalb Meter Abstand beißen Vampire wenig überzeugend“, findet Jaekel, „und Aladdins Einzug in Agrabah ohne Ensemble-Gewusel oder der erlösende Kuss mit Jasmin als zugeworfener Handkuss wirken eher komisch als überzeugend.“ In dieser Hinsicht gibt es nach seinen Worten endlich Bewegung in den Verhandlungen mit den Behörden. Die zweite Frage sei, fährt der Sprecher fort, wie man die Saalkapazität nutzen könne, damit der Betrieb nicht defizitär werde. „Unser Hygienekonzept stößt bei den Ämtern auf größtes Wohlwollen“, freut sich Jaekel und spricht von einem „ersten guten Schritt“.

Kontroverse Debatte über Karten und Gutscheine

Derweil wird bei Musicalfans und Musicaldarstellern kontrovers diskutiert, wie man sich in dieser schwierigen Lage verhalten soll. Während etliche Besucherinnen und Besucher klagen, dass sie kein Geld für ausgefallene Shows zurückbekommen, bitten Künstler ihre Fans, Gutscheine zu akzeptieren. „Würden alle Tickets zurückerstattet, könnten die Theaterhäuser sofort dichtmachen“, sagt der Stuttgarter Musicalstar Hannes Staffler, der unter anderem bei „Ghost“ und „Rocky“ auf der Bühne stand.

„Als Erzieherin kann ich nicht Firmen in Not unterstützen“

Eben für „Ghost“, wo Staffler die Hauptrolle spielte, hatte eine junge Erzieherin im März dieses Jahres Karten gekauft. Mit der ersten Umbuchung – für eine Vorstellung von „Tanz der Vampire“, da „Ghost“ nicht mehr gespielt wird – war sie zunächst einverstanden. Doch auch der geplante Termin im September hat nicht geklappt. „Als Erzieherin muss ich mit meinem Geld haushalten“, sagt sie. Immerhin geht es bei den Karten für sie und für Freunde um einen Betrag von 600 Euro. Leider habe die Geschäftsleitung der Stage ihr nicht geantwortet. Die Leserin berichtet: „Stattdessen – nach dem von mir vorgenommenen Chargeback, der Rückbuchung via Kreditkarte, aufgrund nicht erbrachter Leistung in zwei Fällen – erreichten mich zwei E-Mails mit einer Zahlungsaufforderung. Der nächste Höhepunkt war, dass ich ein offizielles Mahnschreiben per Post zugestellt bekam.“ Als Erzieherin sei es ihr nicht möglich, „Not leidende Firmen zu unterstützen“. Aufgrund der Verhaltensweise der Stage Entertainment sei sie jetzt nicht mehr bereit, einen Gutschein zu akzeptieren.

„Gutscheinregel in der Normalfall“

Sprecher Stephan Jaekel verweist für das Musicalunternehmen auf den Gesetzgeber, der die Ausgabe von Gutscheinen für eine Ersatzaufführung bis zum 31. Dezember 2021 „als Normalfall“ festgelegt habe. Von den über 600 000 Besuchern, mit denen die Stage gerade in Kontakt stünde, werde dieses Konzept „in sehr hohem Maße angenommen“. Abweichungen von der Gutscheinregel seien „nur in offensichtlichen Härtefällen“ vorgesehen. Jaekel: „Dass die Dame als Erzieherin über kein hohes Einkommen verfügt, war ja auch zum Zeitpunkt des Erwerbs der ,Ghost‘-Tickets der Fall.“ Die langen Wartezeiten seien „selbstverständlich sehr bedauerlich und der enormen Menge sowie den Prüfungserfordernissen jedes Einzelfalls geschuldet“. Ziel der Stage Entertainment sei es, dieses Tempo zu erhöhen.

Staffler ruft Fans zu Solidarität auf

Musicalstar Hannes Staffler bittet um Solidarität der Fans. Die Stage werde nicht subventioniert und müsse, wie auch viele kleine Bühnen, sehen, wie man die Krise übersteht. Ausdrücklich lobt er den Musicalmarktführer, dass dieser sich „vorbildlich für seine Mitarbeiter einsetzt und das Kurzarbeitergeld noch weiter aufstockt“. Dagegen würden Theater, die öffentliche Gelder erhalten, ihren Gastkünstlern, die nicht fest angestellt sind, nicht mal Ausfallhonorare bezahlen, obwohl diese Gagen im Spielzeitbudget längst eingeplant und ausbezahlt seien. „Überspitzt ausgedrückt könnte man sagen, dass sich die Theater auf Kosten der Künstler mit öffentlichen Geldern bereichern“, kritisiert Staffler.