Schiitische Freiwillige aus dem Irak trainieren gemeinsam mit irakischen Militärs in Kerbela Foto: dpa

Im Irak kopieren Terroristen die Strategie der US-Militärs. Und viel zu lange haben sich Diplomaten und Politiker im Syrienkrieg rausgehalten und damit Isis in die Hände gespielt, meint unser Kommentator Franz Feyder.

Stuttgart/Bagdad - Syrische Kampfjets bombardieren den Irak – und dessen Premier jubelt, weil die Raketen auf die Dschihadisten des Islamischen Staates im Irak und in Syrien (Isis) abgefeuert werden. Iranische Kampfdrohnen steigen von Fliegerhorsten nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad auf – und US-Präsident Barack Obama seufzt erleichtert auf: Jeder Kampfroboter, mit dem die iranischen Ajatollahs in ihrem Nachbarland auf Terroristenjagd gehen, zögert zumindest die Entscheidung heraus, dass die USA, der Westen in diesen Konflikt hineingezogen werden. Der Wüstensturm scheint eine Region, womöglich die Welt zu verändern.

In der zeigt der Terrorismus ein neues Gesicht. Schlimmer noch – er zeigt eine neue Qualität. Die vermummten Kämpfer unter der Fahne des Propheten agieren nicht mehr als lose miteinander verbundene Terrorzellen, so wie El Kaida das getan hat. Isis ist ein paramilitärischer Verband, der strategisch agiert und vor allem zwei Doktrinen folgt, die die Gotteskrieger von den amerikanischen Streitkräften kopieren: „Clear, hold, build“ – erobere, halte und baue auf – lautete der Glaubenssatz, mit dem die US-Streitkräfte in die Kriege in Afghanistan und dem Irak zogen, um gegen El Kaida zu kämpfen. Nach dem Dogma „Win hearts and minds“, gewinne Herzen und Verstand, versuchten die Militärs, den Aufstand in beiden Ländern zu ersticken.

Die Dschihadisten kämpfen nicht mehr nur aus dem Hinterhalt. Isis-Kämpfer kontrollieren die von die ihnen besetzten Gebiete. Sie zwingen Frauen unter den Schleier und bauen Verwaltungen auf. Sie morden und organisieren die Müllabfuhr. Sie plündern und sprechen Recht. Sie steinigen und laden zu Kinderfesten ein. Langsam entsteht so genau das Kalifat vom Mittelmeer bis nach Bagdad, von dem die Islamisten träumen. Eine sozial eingefärbte Schreckensherrschaft, finsterer als das Mittelalter.

Deshalb stellt sich vor allem eine Frage: Wie können die USA, wie kann Europa verhindern, dass die Terroristen in einem Gebiet herrschen, um aus diesem den Heiligen Krieg in die Welt zu tragen? Mehrere Tausend Europäer und Amerikaner kämpfen in den Reihen der Isis-Terroristen. Irgendwann werden sie zurückkehren: nach Washington, London, Paris und Berlin. Sind die Fotos echt, die ein Dschihadist gestern über Facebook verbreitete, kämpft auch dieser Stuttgarter gerade zwischen Euphrat und Tigris.

Nur mit Luftangriffen wird das drohende Kalifat nicht zu verhindern sein. Abgesehen davon, dass den Isis-Kriegern in den vergangenen Wochen im Irak modernstes US-Kriegsmaterial in die Hände gefallen ist – auch Luftabwehrraketen. Allein Luftschläge werden diese Terrorgefahr nicht mehr aus der Welt schaffen. Dazu braucht es Bodentruppen. Ist der Westen, ist Deutschland dazu bereit?

Zumal der Konflikt auch eine Auseinandersetzung zwischen den beiden islamischen Glaubensrichtungen des Sunnismus und Schiismus geworden ist. Zwischen Sunniten auf der Arabischen Halbinsel und Schiiten im Irak, im Iran, in Syrien und im Libanon. Rund um Bagdad tobt ein Terrorkampf. Er droht, als grenzüberschreitender Religionskrieg die gesamte Region in Flammen zu setzen.

Viel zu lange haben sich Diplomaten und Politiker im Syrienkrieg rausgehalten. Laviert. Nichts getan. Gehofft, das möge sich alles so regeln. Dadurch haben sie das Monster geschaffen, dass sie jetzt bekämpfen müssen: Isis.

f.feyder@stn.zgs.de