Der Hamburger SV liefert sich in der zweiten Liga ein Schneckenrennen mit dem VfB Stuttgart. Foto: dpa/Axel Heimken

Direktaufstieg, Relegation oder erneut 2. Liga? In den letzten zwei Saisonspielen entscheidet der HSV über seine Zukunft. Das Schlüsselspiel steht am Sonntag in Heidenheim an.

Hamburg - Der Hamburger SV steckt in einem Gefühlschaos. Tiefe Niedergeschlagenheit nach dem verpassten Sieg gegen Osnabrück, Wut wegen eines verweigerten Elfmeters und Unsicherheit über das eigene Vermögen vor dem vorentscheidenden Aufstiegsgipfel beim 1. FC Heidenheim. Aus dieser brodelnden Gemengelage muss Trainer Dieter Hecking bis zum Anstoß am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) das größte Maß an Motivation, Taktik und Struktur für die heiß ersehnte Rückkehr in die Fußball-Bundesliga herauskitzeln.

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In Heidenheim an der Brenz, einer rund 50 000-Einwohner-Stadt im Osten Baden-Württembergs, wird die Zukunft des HSV klarere Konturen annehmen. „Wenn wir gewinnen, kann uns Heidenheim nicht mehr einholen“, sagte Hecking nach dem 1:1 gegen den VfL Osnabrück. Mindestens der Relegationsplatz wäre sicher. Bei einer Niederlage aber könnte der Traum von der Erstliga-Rückkehr platzen. Von Direktaufstieg über Relegation bis goldene Ananas reicht die Bandbreite in den verbleibenden zwei Partien.

Team „gedanklich nicht so frisch“

Warum seine Mannschaft in der entscheidenden Phase „gedanklich nicht so frisch“ war, wie Hecking analysierte, wird auch dem 55-Jährigen ein Rätsel sein. Es mit dem ambitionierten Corona-Programm von neun Spielen binnen sechs Wochen entschuldigen zu wollen, kann den Kern nicht treffen. Andere Sportarten - siehe Handball - schultern im normalen Alltag ganz andere Lasten und kommen wegen des engeren Wettkampfprogramms kaum in den Genuss von Belastungssteuerungen.

Angst vorm Versagen will Hecking nicht ausgemacht haben. „Wir sind keine Mannschaft, die über Robustheit und Verteidigen kommt. Wir müssen oftmals spielerische Lösungen finden“, meinte der Trainer. Das erklärt jedoch nicht jene Verunsicherung und fehlendes Selbstvertrauen, die schon in jüngster Vergangenheit den HSV unter verschiedensten Trainern und mit anderen Spielern regelmäßig in sich zusammenfallen ließen. „Wir wollen mit Vertrauen in unsere Qualitäten in die Spiele gehen“, hatte Hecking vor der Osnabrück-Partie verkündet. Manchmal scheint das aber wie weggeblasen.

Keine positive Tendenz beim HSV

Die Norddeutschen lassen eine positive Tendenz vermissen. Seit Anfang Februar gewann die Mannschaft nie zwei Spiele nacheinander. Vor allem die Abwehr entwickelte sich zur Schwachstelle. In den sieben Ligaspielen seit dem Neustart kassierte der HSV elf Gegentore. Nur die Abstiegskandidaten Wiesbaden (16) und Dresden (13) sowie Holstein Kiel (13) haben mehr. „Wir müssen uns alle hinterfragen und in den letzten beiden Spielen alles geben, um das Ziel zu erreichen“, rät Rechtsaußen Martin Harnik und versucht, Optimismus zu verbreiten. „Wir haben einen großen Zusammenhalt im Team und werden bis zum Heidenheim-Spiel die Köpfe freibekommen.“

Aus Heidenheim kommen selbstbewusste Töne. Mittelfeldspieler Robert Leipertz sagt: „Geht man nach der individuellen Qualität, sind wir dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart auf dem Papier natürlich unterlegen. Wir machen das oft wett, indem wir noch einmal drei, vier oder fünf Kilometer mehr rennen als der Gegner und eklig zu bespielen sind.“ Der HSV hat keine guten Erinnerungen an Heidenheim. In der Hinrunde unterlag das Team im eigenen Stadion mit 0:1.

Die jüngere Geschichte der beiden Vereine gibt bemerkenswerte Auskunft. Als der HSV im Jahre 2009 im Halbfinale des UEFA-Cups und DFB-Pokals stand, spielte Heidenheim in der Regionalliga, in den Jahren zuvor in der fünftklassigen Oberliga. Nun treffen sich beide Teams auf Augenhöhe. Trennen sich ihre Wege in der nächsten Saison wieder - der eine in der Bundesliga, der andere in der 2. Liga?