Zurzeit herrscht beim Göppinger Pressenbauer Schuler alles andere als eitel Sonnenschein: Die Nachfrage geht zurück, Entlassungen sind angekündigt. Foto:  

Der angekündigte wirtschaftliche Abschwung hat den Landkreis Göppingen bereits erreicht. Firmen wie Schuler und Accuride streichen ebenso Stellen wie die WMF. Doch es kommt womöglich noch schlimmer, vermuten Experten.

Göppingen - Am Mittwochmorgen haben die Beschäftigten des Pressenbauers Schuler in Göppingen ein Zeichen des Widerstands gesendet, wenn auch nur ein eher kleines. Sie ließen ihre Arbeit für einige Stunden liegen und stellten sich erst um 10 Uhr wieder an die Maschinen. „Die Lichter bleiben aus, damit sie nicht für immer ausgehen“, hatte zuvor die Gewerkschaft IG Metall verlauten lassen und etwa 1000 Beschäftigte zum Protest aufgerufen – ein Fingerzeig an den Firmen-Vorstand, dass ein „taugliches Zukunftskonzept“ für das Unternehmen fehle. Ein Großteil der Mitarbeiter hat sich, nach den Angaben der Gewerkschaft, an der Aktion beteiligt.

Der Abbau von 300 Stellen bei Schuler ist der vorerst letzte Schritt in einer Reihe von wirtschaftlichen Tiefschlägen für die Region. Bereits im Frühjahr hatte der Automobilzulieferer Accuride aus Ebersbach angekündigt, 300 Stellen zu streichen. Bei der WMF in Geislingen soll die Belegschaft um 150 Mitarbeiter schrumpfen, nicht zuletzt, weil die Kochgeschirrfertigung eingestellt werden soll. Was das Filstal und den Kreis Göppingen angeht, ist davon auszugehen, dass es dabei nicht bleibt.

„Der Konjunkturabschwung kommt zusammen mit der Transformation der Mobilität“

„Der Wirtschaftsabschwung in der Region kommt schneller, als es die meisten erwartet haben“, sagt Ralf Wörner, Professor für Fahrzeugtechnik in der Automobilwirtschaft an der Hochschule Esslingen. Schuld daran seien vor allem zwei Entwicklungen, die sich seit Langem angekündigt hätten und in den kommenden Monaten zu weiteren Kapazitätskürzungen, zu Kurzarbeit und Stellenabbau in den Unternehmen führen könnten. „Der Konjunkturabschwung kommt zusammen mit den ersten Folgen der Transformation in der Automobilwirtschaft“, sagt Wörner. Das treffe den Landkreis Göppingen besonders stark, wo etwa jeder vierte Arbeitsplatz am Auto hänge.

Zu Beginn der Woche hatte der Verband der Maschinenbauer (VDMA) gemeldet, dass es im ersten Halbjahr einen Rückgang bei den Bestellungen um neun Prozent gebe. Dem Verband zufolge ist die schwächere Nachfrage das Ergebnis einer schwächelnden Weltkonjunktur sowie der zahlreichen politischen Unsicherheiten und Verwerfungen, wie die Querelen um den Brexit oder der Handelsstreit zwischen den USA und China.

Kommen nun Entlassungen?

Hinzu komme eine Marktsättigung im Inland, die damit zu tun habe, dass viele Firmen ihre Fabriken bereits ausgebaut und modernisiert hätten. „Auch im Landkreis Göppingen sind die Unternehmen vorsichtiger geworden und investieren weniger“, sagt der VDMA-Geschäftsführer in Baden-Württemberg, Dietrich Birk, der in Göppingen wohnt. Die Folge: Seit geraumer Zeit geht die Zahl der Aufträge bei den Unternehmen zurück, die Firmen produzieren weniger, und es gibt dadurch auch weniger Arbeit für die Mitarbeiter.

Kommt nun, nach Jahren der Vollbeschäftigung und des Facharbeitermangels, also eine Welle von Entlassungen? Vorerst vermutlich nicht. „In vielen Unternehmen haben die Beschäftigten durch die gute Konjunktur so viele Überstunden angehäuft, dass es wohl Monate dauert, bis diese abgebaut sind“, sagt Dietrich Birk. Auch hätten die Unternehmen aus der Krise von vor etwa zehn Jahren gelernt und würden nun selbst im Falle einer Rezession versuchen, Stammmitarbeiter zu halten.

Die Branche der Maschinenbauer gilt dabei als Seismograf für die wirtschaftliche Entwicklung. Dass Autobauer Investitionen zurückhalten und ihr Geld nicht in den Verbrennungsmotor, sondern in umweltschonendere Antriebsarten anlegen, spüren die Maschinenbauer schon heute. „Die meisten Autozulieferer im Landkreis Göppingen sind von dem Strukturwandel stark betroffen“, erklärt Automobilexperte Ralf Wörner. Oft handelt es sich um Unternehmen, die Komponenten und Einzelbestandteile an größere Hersteller liefern und dabei auf die Signale der Produzenten angewiesen sind.

Bedarf an Handwerkern und sozialen Berufen bleibt hoch

Viele sind in ihrer Nische derart spezialisiert, dass sie den Markt über Jahre hinweg bestimmten – und damit auch heute gutes Geld verdienen. Die Gefahr dabei, findet Wörner: „Wenn sich die Industrie wandelt und die Hersteller neue Produkte anfertigen, können die Zulieferer selbst die Veränderungen nicht mitgestalten.“ Nicht wenige Firmen würden so an ihre Grenzen stoßen. Das spürten am Ende auch die Mitarbeiter.

Auf dem Arbeitsmarkt lässt sich diese Entwicklung bis jetzt und auf den ersten Blick nur bedingt belegen. Nach wie vor sind heute etwa 15 000 Menschen arbeitslos und damit weniger als vor zwei Jahren. Nach wie vor klagen etliche Unternehmen über offene Stellen (insgesamt etwa 10 000), die sie in ihren Betrieben nicht besetzen können. „Insbesondere in der Dienstleistungsbranche, im Handwerk, Handel und in den sozialen Berufen ist der Bedarf nach wie vor groß“, betont Thekla Schlör, Leiterin der Arbeitsagentur Göppingen.

Bei näherem Hinsehen wird aber der Umschwung merklich. Unternehmen stornieren zunehmend ihre Stellenausschreibungen. Mitarbeiter mit befristeten Verträgen oder Leiharbeiter erhalten keine Folgebeschäftigung mehr. „Die Anfragen für Beratung zum Kurzarbeitergeld nehmen zu“, sagt Schlör. Qualifizierten Beschäftigten zu kündigen sei für die Unternehmen die letzte Option, die sie nutzten.

Die IG Metall fordert von Schuler nun Investitionen in den Standort Göppingen. „Das Wissen, anspruchsvolle Maschinen zu bauen, ist vorhanden“, sagt die Gewerkschaft. Es bleibt allerdings offen, ob das reichen wird, um die anstehenden Aufgaben zu lösen.