Der Großteil der Industriebetriebe im Kreis Böblingen klagt über eine schwache Auslandsnachfrage Foto: /Stefanie Schlecht

Die Konjunktur im Kreis Böblingen startet mit wenig Elan in den Frühsommer, sagt die IHK. Nur in einem Wirtschaftsbereich gibt es einen Lichtblick.

Zum Jahresbeginn 2023 herrschte bei den Unternehmen im Landkreis Böblingen große Erleichterung, dass der prognostizierte wirtschaftliche Absturz ausgeblieben war. Das berichtet die Industrie- und Handelskammer im Kreis Böblingen in ihrem aktuellen Konjunkturbericht. Der Präsident der IHK-Bezirkskammer Böblingen, Andreas Hadler, sagt nun: „Die Lage trübt sich in den Frühsommer hinein ein. Der sich zuspitzende Fachkräftemangel, hohe Energie- und Rohstoffpreise, steigende Lohnkosten und zuletzt eine sinkende Nachfrage aus dem In- und Ausland drücken auf die Stimmung.“ Der wirtschaftliche Ausblick fällt deshalb verhalten aus.

Die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Wirtschaft waren weniger dramatisch, als erwartet – der milde Winter und ein schnelles Gegensteuern der Politik in Sachen Energie hätten hierbei geholfen. Leider habe diese Erleichterung nicht für einen neuen Auftrieb in den Sommer gereicht. Zwar sei die Geschäftslage der IHK-Mitglieder auf vergleichsweise stabilem Niveau, die Auftragslage aber vielfach schwach.

Gegensteuern der Politik hat Schlimmeres verhindert

Konjunkturflaute In der Konjunkturbefragung der IHK melden aktuell 36 Prozent der befragten Betriebe eine gute Geschäftslage. Dieser Wert hat sich gegenüber der letzten IHK-Erhebung nur leicht verbessert. Da sich gleichzeitig die Zahl derer, die eine schlechte wirtschaftliche Lage verzeichnen, erhöht hat, gab es in der Gesamteinschätzung nur wenig Bewegung. So liegt der IHK-Indikator zur wirtschaftlichen Lage mit 24 Zählern nur unwesentlich über dem Wert 21 zu Jahresbeginn. Lediglich 18 Prozent schauen optimistisch voraus, die Pessimisten haben mit 21 Prozent die Oberhand – der IHK-Indikator zur Geschäftserwartung verharrt im negativen Bereich.

Das Konjunkturbarometer seit dem Frühsommer 2018 Foto: IHK Kreis Böblingen

Problemkind Fachkräftemangel Sucht man nach den Gründen für die schwache Entwicklung, finden sich einige Antworten in den Risikoeinschätzungen der Unternehmen, teilt die IHK mit. Das mit Abstand größte konjunkturelle Risiko wird von den Betrieben mit deutlichem Abstand im Fachkräftemangel gesehen. 75 Prozent der IHK-Mitglieder sehen hierin eine große Belastung für die eigene Entwicklung. Auf den weiteren Plätzen folgen die Energie- und Rohstoffpreise, die Arbeitskosten sowie generell die Nachfragesituation.

Absatzmarkt unter Druck Gerade bei den Arbeitskosten wird der Druck auf die Betriebe nicht nachlassen – das zeigt sich schon an den jüngsten Tarifabschlüssen. Düster sieht es bei der Nachfrage aus: Über alle Branchen hinweg ist bei annähernd einem Drittel der Unternehmen die Nachfrage gesunken. In der für den Landkreis besonders bedeutsamen Industrie klagen fast 40 Prozent über einen Einbruch der des Absatzes. Insbesondere die Exportnachfrage hat hier seit dem Jahreswechsel deutlich nachgegeben. Nur etwas mehr als fünf Prozent können sich über eine Zunahme des Auslandsabsatzes freuen, bei 43 Prozent der Unternehmen des industriellen Sektors liegen die Verkaufszahlen im Abwärtstrend. So blicken rund 25 Prozent dieser Unternehmen sorgenvoll in die Zukunft. Der IHK-Indikator zur Geschäftserwartung liegt hier mit minus acht Zählern etwas unter dem der Gesamtwirtschaft. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch im Handel. Der Einzelhandel startet ebenfalls schwächer in den Frühsommer und meldet eine verschlechterte Situation und einen schrumpfenden Umsatz.

Baubranche im Abwärtstrend Das Zinsniveau, die Kostensituation und ein damit einhergehender Nachfragerückgang führen zu einem regelrechten Einbruch in der Bauwirtschaft. Insbesondere im Eigenheimbau verschlechterte sich mit dem inflationsbedingten Zinsanstieg die Lage massiv. Für viele Käufer ist der Traum von den eigenen vier Wänden zunächst einmal geplatzt oder zumindest verschoben. Eingeschränkt freuen können sich über diese Entwicklung nur die aktuellen Bauherren, die einerseits noch von günstigeren Konditionen profitieren und davon, dass die Preise für Bauleistungen wohl schon unter Druck zu geraten.

Dienstleister im Aufwind Eine erfreuliche Ausnahme in diesem schwachen Ausblick über alle Branchen hinweg bilden derzeit nur die Dienstleister. Hier hat sich die Lage seit dem Jahreswechsel deutlich verbessert. Annähernd 40 Prozent können im IHK-Konjunkturbericht eine gute Geschäftslage melden. Nur knapp acht Prozent sind zurzeit nicht zufrieden. Der IHK-Lageindikator liegt bei 32 Punkten und hat sich seit der letzten Umfrage der IHK-Bezirkskammer Böblingen fast verdoppelt. Auf der Nachfrageseite können rund 20 Prozent der Dienstleister einen Anstieg melden. Dieser Wert ist deutlich höher als im Schnitt aller anderen Branchen. Kein Wunder, dass im Dienstleistungssektor der Blick in die Zukunft auch im Landkreis weitaus optimistischer als in den übrigen Branchen ausfällt. Ob der Sektor seiner bisherigen Funktion als Frühindikator für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung auch diesmal gerecht werden kann?