Allein in der Altenpflege waren 2015 laut Pflegebericht der Bundesregierung 19000 Stellen offen. – ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Foto: dpa

Gesundheitspolitiker suchen nach Wegen, das Großprojekt von Bundesgesundheitsminister Gröhe und Familienministerin Schwesig zu retten.

Berlin - Die Reform der Pflegeausbildung schien zum Jahresende eigentlich schon mausetot. Nun gibt es doch wieder Hoffnung auf eine Einigung in letzter Minute.

Der Hintergrund: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Bundesfamilienministerin wollen mit einem längst vorliegenden Gesetzentwurf die heute getrennten Ausbildungen zum Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger zu einer einheitlichen dreijährigen Ausbildung zusammenführen. Die „Generalistik“ soll den Beruf attraktiver machen, denn der ausgebildete Pfleger sei künftig beruflich ungleich flexibler. Zudem wird eine Anhebung der schlechten Entlohnung in der Altenpflege erhofft, um so die Abwanderung der Fachkräfte in die Kliniken zu verhindern. Gegen die Pläne hatte sich in der Union Widerstand formiert, weil man fürchtet, die gesteigerten Anforderungen könnten vor allem Hauptschüler, die bislang in der Altenpflege arbeiten, von der Berufswahl abhalten.

Krankenkassen sorgen für neue Bewegung

Die Fronten waren starr. Zum Jahresende brachte ein Vorstoß von Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), neue Bewegung in die Sache. Kiefer regte an, „eine Zeit lang mehrere Ausbildungswege zuzulassen“. Von den „Generalistik“-Skeptikern in der Union wurde die Anregung umgehend aufgenommen. Erwin Rüddel, der pflegepolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, warb dafür, die Generalistik in einigen Modellregionen zu erproben und parallel dazu seine Idee einer integrierten Ausbildung Wirklichkeit werden zu lassen, die nach einer gemeinsamen zweijährigen Ausbildung auf ein weiteres drittes Ausbildungsjahr als Spezialisierung für die bisherigen drei Zweige setzt. Die Reaktionen darauf waren nicht gerade günstig. Der Vorsitzende des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, nennt den Vorschlag paralleler Ausbildungen im Gespräch mit unserer Zeitung „den größten Unsinn“. Das Modell der Generalistik sei doch bereits „über zehn Jahre lang mit über 40 beteiligten Institutionen erprobt worden“. Politisch noch wichtiger ist, dass Karl Lauterbach, Fraktionsvize der SPD, die Tür krachend zuschlug: „Es muss einen sofortigen Übergang in die Generalistik geben.“

SPD will der Union Brücken bauen

Damit schienen die Kompromissmöglichkeiten erschöpft und der Gesetzentwurf bereits beerdigt. In der SPD aber gärt es weiter. Dort wollen sich die Gesundheitsexperten nicht mit dem Aus für die Generalistik abfinden. Aber bei den Sozialdemokraten wächst die Einsicht, dass der Union Brücken gebaut werden müssen, soll das Projekt noch eine Zukunft haben.

In diese verfahrene Situation könnte nun ein Kompromissvorschlag der hessischen Bundestagsabgeordneten Bettina Müller neue Bewegung bringen. Die schrieb Ende Dezember einen Brandbrief an ihre Fraktionsführung, in dem sie darauf hinwies, dass „nur noch ein schmales Zeitfenster mit drei oder vier Sitzungswochen“ bleibe, um „doch noch zu einer Lösung zu kommen“. Ein völliges Scheitern würde „die dringend notwendige Neuausrichtung der Pflegeberufe um Jahre verzögern, weil keine politische Konstellation denkbar ist, die in der nächsten Wahlperiode das Thema noch einmal anfassen würde“. Bei dieser Ausgangslage legt Müller nun ihren Kompromiss vor. Er besteht darin, die Reform in der vorliegenden Form zu verabschieden, „aber die bestehenden Berufsgesetze nicht außer Kraft zu setzen. Im Klartext: Die Generalistik kommt, aber als Alternative zu den weiter möglichen Einzelausbildungen. Nach zehn Jahren könnten dann die Erfahrungen ausgewertet und endgültig über einen vollständigen Übergang zur Generalistik entschieden werden. Im Grunde entschiede der Ausbildungsmarkt. Müller nennt es eine „Abstimmung mit den Füßen“.

In der Union stößt dieser wohl letzte Kompromissvorschlag auf Wohlwollen. Fast erleichtert klingt Erwin Rüddels Reaktion. Er sagte unserer Zeitung: „Damit hätte ich keine Probleme, und dafür würde ich werben.“