Wer junge Familien halten oder anziehen will, muss mehr als billiges Bauland anbieten.

Stuttgart - In den nächsten 20 Jahren werden die Kommunen im Land schrumpfen. Wer junge Familien halten oder anziehen will, muss mehr als billiges Bauland anbieten, sagt Carmina Brenner, Leiterin des Statistischen Landesamts.

Die Bevölkerung in Baden-Württemberg wird sich bis zum Jahr 2030 deutlich sichtbar verändern: Der Anteil der unter Zwanzigjährigen wird landesweit um fast ein Fünftel sinken, die Zahl der über 60-Jährigen dagegen um fast ein Drittel ansteigen. Das geht aus der neuen Vorausberechnung des Statistischen Landesamts hervor, die Brenner am Montag in Stuttgart vorgestellt hat. Das Durchschnittsalter wird in diesem Zeitraum von durchschnittlich 42,2 Jahren auf 46,6, Jahre steigen. Zugleich wird die Zahl der Einwohner im Südwesten von derzeit 10,8 auf 10,4 Millionen zurückgehen.

Stuttgart und Ulm am jüngsten

Dabei wird es allerdings große regionale Unterschiede geben. Den höchsten Altersdurchschnitt wird mit 47,8 Jahren weiterhin Baden-Baden haben, auf Platz zwei folgt dann mit 47,7 Jahren der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Am jüngsten wird die Bevölkerung in Stuttgart und Ulm sein - in den beiden Städten wird der Altersdurchschnitt im Jahr 2030 bei 44,5 Jahren liegen.

Auch in den übrigen Stadtkreisen ist das Durchschnittsalter dann niedriger als in den Landkreisen. Einzige Ausnahme ist der Stadtkreis Baden-Baden, der traditionell viele Senioren anzieht und auch in den kommenden Jahren noch weiter wächst. Am stärksten wird das Durchschnittsalter in den heute noch jungen Kreisen Tübingen und Heilbronn steigen - voraussichtlich um 5,7 Jahre auf dann 46,1 beziehungsweise 47 Jahre.

Grund für den Anstieg des Durchschnittsalters ist zum einen die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung. Zum anderen nimmt aufgrund der niedrigen Geburtenrate der Anteil der jüngeren Menschen immer weiter ab. Wie sich die Alterung in den einzelnen Kommunen verändert, hängt außerdem von Wanderungsbewegungen ab. Vor allem die Großstädte ziehen junge Menschen an, weil sie ihnen Ausbildungsplätze, Studienplätze und Arbeitsplätze bieten. Unter den Landkreisen wird Tuttlingen mit durchschnittlich 45,9 Jahren die jüngste Bevölkerung haben - dort ist die Geburtenrate überdurchschnittlich hoch, zudem sind in dem Kreis noch Zuzüge zu erwarten. Dennoch wird auch Tuttlingen wie alle Landkreise in den nächsten Jahrzehnten Einwohner verlieren.

Jungen Familien ist Infrastruktur wichtig

Im Durchschnitt wird die Bevölkerung um 3,5 Prozent zurückgehen. Am stärksten betroffen ist der Kreis Heidenheim, der bereits seit längerem Einwohner verliert und bis zum Jahr 2030 mit einem Minus von 8,8 Prozent rechnen muss. Mehr als sechs Prozent ihrer Einwohner werden auch der Main-Tauber-Kreis, Sigmaringen und der Zollernalbkreis verlieren.

Zulegen werden nach den Berechnungen der Statistiker lediglich zwei Städte: Baden-Baden - dort rechnen die Experten noch mit einem Anstieg um 1000 Einwohner, das entspricht 1,8 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren hatte die Bäderstadt einen Zuwachs um vier Prozent zu verzeichnen. Ulm könnte demnach um knapp 400 Einwohner (0,3 Prozent) größer werden - dort betrug der Zuwachs in den vergangenen zehn Jahren dank einer hohen Zahl von Geburten sogar fünf Prozent.

Jungen Familien ist Infrastruktur wichtig

Bei ihren Vorausberechnungen gehen die Statistiker davon aus, dass sich die Geburtenrate - derzeit 1,37 Kinder je Frau im Südwesten - kaum verändern wird, dass die Lebenserwartung von Männern und Frauen um 2,5 Jahre steigt und dass relativ wenige Personen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland in den Südwesten kommen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Bevölkerung vor allem dank sogenannter Wanderungsgewinne gestiegen - so kamen nach dem Mauerfall viele Ostdeutsche, Spätaussiedler und Flüchtlinge in den Südwesten.

Seit einigen Jahren jedoch verringert sich der Wanderungsgewinn. Während 2001 noch es 69 000 Personen mehr nach Baden-Württemberg kamen als wegzogen, waren es 2005 nur noch 18.000 und im Jahr 2008 nur 4400. Brenner führt das vor allem auf die Wirtschaftskrise und den Rückgang an Arbeitsplätzen zurück. Im nächsten Jahr rechnet sie mit einem Wanderungsgewinn von 5000 Personen, ein Jahr später könnten es sogar 10.000 sein. Denn dann erhalten die Bürger in zehn EU-Staaten volle Freizügigkeit.

Ob das eintrifft, hänge aber auch von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab, sagte Brenner. Neben Arbeitsplätzen sei jungen Familien auch die Infrastruktur wichtig. Vor allem Kinderbetreuung und gute Schulen, aber auch Einkaufsmöglichkeiten.