Wie bekommt man mehr Frauen auf das kommunalpolitische Parkett? Ein Vorschlag sind alternierende Wahllisten. Foto: dpa

In den Gemeinderäten dominieren immer noch die Männer. Das wird sich auch am 26. Mai nicht wesentlich ändern: Parteien tun sich schwer, Frauen in die kommunalen Gremien zu bringen. Eine Analyse.

Ludwigsburg - Es ist besser geworden, das lässt sich nicht bestreiten. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der erste Ludwigsburger Kreistag gebildet wurde, bestand er aus 42 Mitgliedern. 42 davon waren männlich. 1948 stieg die Zahl der Kreisräte auf 48, und 48 davon waren Männer. Erst 1954 schaffte die erste Frau den Sprung ins Gremium. Im aktuellen Kreistag ist der Frauenanteil auf immerhin 23 Prozent gestiegen. Besser als nichts also, aber ist es genug?

In Deutschland wird viel über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestritten, weit weniger Beachtung findet die Frage, inwieweit sich die Familie mit einem politischen Ehrenamt vereinbaren lässt. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Kreistag, in den Gemeinderäten, in der Regionalversammlung – überall sind Frauen unterrepräsentiert. Es gibt keinen Gemeinderat im Land mit einer weiblichen Mehrheit. Die Gründe mögen vielfältig sein, aber man muss das wohl so brutal ausdrücken: Auch im 21. Jahrhundert stehen Frauen abends eher am Herd, während Männer sich politisch betätigen. „Es ist immer noch so, dass Frauen sich mehr um die Hausarbeit und die Kinder kümmern als Männer“, sagt Judith Raupp, die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ludwigsburg. „Wenn sie dann noch berufstätig sind, wird es zeitlich extrem schwierig, sich zusätzlich ehrenamtlich zu engagieren.“

Frauen machen anders Politik

Das Problem ist auf vielen Ebenen als solches erkannt worden, denn in einer parlamentarischen Demokratie sollen Gremien, vom Bundestag bis zum Gemeinderat, einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Wenn die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, Politik aber Männersache bleibt, stimmt etwas nicht. „Wo Vielfalt fehlt, wird bei Entscheidungen leichter etwas übersehen“, sagt Raupp. Denn Frauen hätten oft einen anderen Blick auf die Dinge. Das gelte nicht nur bei Bildungsthemen oder Aspekten der Kinderbetreuung, „sondern beispielsweise auch bei der Frage, wie öffentliche Plätze gestaltet werden sollten“. Dunkle Ecken in der Stadt, Angsträume – aufgrund ihrer Lebenswirklichkeit haben Frauen ein feineres Gespür für gewisse Probleme als Männer. Es gibt viele solcher Beispiele.

Was tun? Im Sachsenheimer Gemeinderat sind nur vier von 23 Mitgliedern weiblich, und der SPD-Mann Peter Schreiber will das ändern. Schon vor zwei Jahren fing die SPD an, aktiv auf Frauen zuzugehen, um sie für die politische Arbeit zu motivieren. Schreibers Ziel: eine alternierende Wahlliste für die Kommunalwahl am 26. Mai 2019, eine Liste also, die abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt ist. Auch er sagt: „Frauen bringen neue Gedanken ein, wir brauchen mehr davon.“ Der Frauenanteil in Sachsenheim sei früher schon einmal höher gewesen, und das, sagt Schreiber, seien gute Zeiten gewesen. „Es ging im Gemeinderat harmonischer zu.“ Der Kampf der Hähne, der Alphamännchen, sei weniger stark ausgeprägt gewesen. Die Debattenkultur habe davon profitiert.

Trotz großer Anstrengungen: Es gibt zu wenig aktive Frauen

Doch Schreiber ist gescheitert. Zwar steht nun eine junge Studentin auf der SPD-Liste, aber von einer paritätischen Besetzung kann keine Rede sein. Viele potenzielle Kandidatinnen hätten „die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen“, berichtet Schreiber. Auch er ist sicher, dass dies mit der noch immer ungleichen Rollenverteilung zusammenhängt. „Der Mann macht Politik, die Frau den Haushalt – der Wandel ist leider immer noch nicht so groß, wie er sein müsste.“

Trotzdem beweisen Studien, dass Schreibers Initiative in die richtige Richtung weist. Wo alternierende Listen aufgestellt werden, steigt der Frauenanteil. Die Grünen achten schon lange auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung, folgerichtig haben sie landesweit den höchsten Frauenanteil in den Gremien. Das baden-württembergische Kommunalwahlgesetz schreibt sogar explizit vor, dass Männer und Frauen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden sollen. Nur bei der Frage der Umsetzung bleibt es schwammig.

Die CDU hält wenig von Quoten

In Ludwigsburg haben neben den Grünen auch die Sozialdemokraten eine alternierende Liste aufgestellt. Auf Platz eins steht mit Nathanael Maier ein 28-jähriger Student, der die junge Generation repräsentiert. Auf Platz zwei folgt die bisherige Fraktionsvorsitzende Margit Liepins. Und so geht es weiter: Mann, Frau, Mann, Frau, bis zum Listenplatz 40.

Das Gegenbeispiel liefert die CDU, die zwar stolz verkündet, dass auf ihrer 40-köpfigen Liste 17 Frauen kandidieren. Aber da steht nicht nur vorne ein Mann, sondern auch auf Platz zwei. Und auf Platz drei. Platz vier: ebenso. Platz fünf: ein Mann. Auf Platz sechs: ein Mann. Erst danach folgt die erste Frau. „Wir halten nichts von Quoten, sondern vertrauen den Wählern“, sagt der Fraktionschef Klaus Herrmann. Für Migranten oder junge Menschen gebe es ja auch keine Quote. „Warum dann für Frauen?“ Herrmann kritisiert, die Grünen hätten alternierende Listen eingeführt, weil „ihre Wähler nicht so wählen, wie die Partei das gerne hätte“.

Ein guter Listenplatz allein reicht nicht

Tatsächlich bietet ein guter Listenplatz keine Gewähr, gewählt zu werden. Die Wähler sind bei einer Kommunalwahl nicht an die Listen gebunden, sondern können ihre Stimmen frei auf alle Kandidaten verteilen. Wer will, könnte also ausschließlich Frauen wählen. In der Realität aber wählen viele einfach die komplette Liste der von ihnen bevorzugten Partei oder Vereinigung. Mit der Folge, dass alle Kandidaten dieser Partei oder Vereinigung genau eine Stimme erhalten. Was letztlich dazu führt, dass gute Plätze doch entscheidend sind. Sollte die CDU sieben Sitze im Ludwigsburger Gemeinderat ergattern, entfallen diese auf die ersten sieben Plätze und damit auf sechs Männer und eine Frau.

Die Ausrede, dass sich nicht genug Frauen finden lassen, gilt in größeren Städten kaum. Die Grünen und die SPD haben ihre paritätischen Listen leicht gefüllt, und auch Klaus Herrmann sagt für die CDU: „Es ist etwas schwerer, weibliche als männliche Bewerber zu finden, aber insgesamt waren genug Frauen bereit für eine Kandidatur.“ Dass diese nun derart weit hinten auftauchen, kommentiert er nur indirekt: „Unsere Liste wird nach einem demokratischen Verfahren aufgestellt, bei dem die Mitglieder ein großes Mitspracherecht haben.“