Dietmar Hopp wird immer wieder angefeindet. Foto: Baumann/Julia Rahn

Das Skandalspiel zwischen 1899 Hoffenheim und dem FC Bayern hat für große Aufregung im Fußball gesorgt. Die Kommentatoren fragen sich auch, was daraus zu lernen ist.

Stuttgart - Die Anfeindungen gegen den Hoffenheimer Fußball-Mäzen Dietmar Hopp haben eine neue Dimension erreicht. Erstmals wurde ein Spiel unterbrochen und die Mannschaften schoben sich aus Protest zu den Schmähungen den Ball belanglos hin und her. Diese neue Qualität des Streits zwischen Vereinen und den so genannten Ultra-Fans hat Fußball-Deutschland und die Kommentatoren beschäftigt wie kein anderes Thema am vergangenen Sportwochenende.

„Süddeutsche Zeitung“: Viele sagen, das Stadion spiegle den Querschnitt der Gesellschaft, aber damit haben es sich die Verantwortlichen lange zu leicht gemacht. Es ist eine nach Tausenden zählende Spezial-Klientel, die sich in den Ultra-Kurven sammelt. Dass die Gruppe die Hausordnung negiert, dass aus der Anonymität der Masse heraus gefrevelt wird, dass dort Masken übergestreift werden, bevor die Pyros brennen, wurde viel zu lange toleriert.

„Frankfurter Allgemeine“: Wer für „Stimmung“ im Stadion sorgt, muss sich von niemandem etwas sagen lassen. Regeln gelten nur insoweit, als sie die Macht der Anführer nicht tangieren. Viele Clubs haben sich sehenden Auges in Abhängigkeit von diesen Gruppen begeben und ihnen Privilegien zugestanden. Nun so zu tun, als sei man von deren Verhalten überrascht, ist bestenfalls naiv. (...) Jetzt muss sich zeigen, was Regeln wert sind. Wenn der Fußball sie nicht durchsetzen kann, muss es der Staat tun.

Erbärmliche Rechtfertigung

„Die Welt“: Die Rechtfertigung der Bayern-Fans, ihre Wortwahl sei „alternativlos“ gewesen, ist erbärmlich. Den Schmähungen folgte vom Verband eine offenbar ebenso konzertierte Aktion, wie die Spielunterbrechungen in mehreren Stadien, am Sonntag dann auch bei Union Berlin, zumindest nahelegen. Aber warum erst jetzt? Und in diesem Fall? Den Drei-Stufen-Plan der Uefa, nach dem bei menschenfeindlichen Beleidigungen ein Spiel erst zweimal unter-, dann abgebrochen werden soll, gibt es seit 2009. Zur Anwendung kam er erst jetzt, elf Jahre später. In dieser Zeit wurden Spieler wie der Leipziger Timo Werner monatelang aus der Fankurve beleidigt, rassistische Ausfälle wie unlängst bei Schalke 04 blieben ungesühnt.

„Kölner Stadtanzeiger“: Die Fans des FC Bayern räumten am Samstag selbst ein, dass sie auf Banner gepinselte Beschimpfungen nicht als Beitrag zu einer gepflegten Debatte verstanden wissen wollten. Es ging ihnen um den Effekt, teilten sie erstaunlich ehrlich mit. Den Effekt haben sie bekommen. Was sie allerdings damit bewirkt haben, wird sich nun zeigen müssen.

„Heilbronner Stimme“: Um dieses Spiel wirklich für die breite Masse an Fußballfans zu gewinnen, muss dieser 29. Februar einen Wendepunkt markieren. Nur mit klaren Worten ist den Hopp-Feinden schließlich nicht beizukommen, das sollte man beim DFB und allen Bundesligaclubs begriffen haben. Es müssen auch Taten folgen, damit der Fußball wieder im Mittelpunkt stehen darf – und nicht einige Ultras.

Zu viel des Guten?

„Der Tagesspiegel“: Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob dieses (zweifellos starke) Zeichen der Profis ein angemessener Protest war oder doch zu viel des Guten. Was sich in Hoffenheim ganz sicher offenbart hat, war ein Machtkampf in Reinform: auf der einen Seite die hochbezahlte Sportindustrie, unpolitisch und kapitalfreudig, auf der anderen Seite der skeptische Pöbel, sportpolitisch und kommerzkritisch.

„Berliner Zeitung“: Das Phänomen der Diffamierung aus dem Dickicht ist bekannt aus den sogenannten sozialen Netzwerken, die in derartigen Fällen deshalb asozial sind, weil die Täter von der Gemeinschaft, der Anonymität profitieren. Im Fußball arbeitet sich der Stumpfsinn bevorzugt an Emporkömmlingen wie RB Leipzig oder eben der TSG 1899 Hoffenheim ab, allzu oft auch an Profis mit anderer Hautfarbe. Das Tatmotiv liegt in schrägen Weltbildern, in selbst gebastelten Feindbildern. Die Profis der TSG und des FC Bayern haben dagegen nun ein starkes Zeichen gesetzt.