Erstsemesterbegrüßung an der Uni Koblenz-Landau Foto: dpa

Die schwarz-roten Eckpunkte der Bafög-Reform sind stimmig – aber der Bund könnte sich dabei übernehmen, meint unser Hauptstadt-Korrespondent Norbert Wallet.

Berlin - Kritik lässt sich natürlich immer üben – auch an den gestern durch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vorgelegten Eckpunkten der Bafög-Reform. Manchem sind sieben Prozent mehr bei den Bedarfssätzen noch nicht genug, selbst wenn sich die Höchstförderung einschließlich des ebenfalls angehobenen Wohnzuschlags um fast zehn Prozent erhöht. Und zweifellos ist es eine bittere Pille, dass die Reform zwar angekündigt, ihre Verwirklichung aber bis zum Wintersemester 2016/17 auf die lange Bank geschoben wird. Das ist noch lange hin. Aber dennoch sind die nun vorgelegten Pläne alles andere als eine Kleinigkeit. Der Bund übernimmt die komplette Förderung und investiert für die bessere Unterstützung von Bafög-Empfängern jährlich zusätzlich 500 Millionen Euro. Das ist eine gewaltige Anstrengung. Zudem eine Anstrengung, die Mittel bei den Ländern frei macht, die nun ihrerseits mehr Handlungsspielraum gewinnen. Bisher wurde das Bafög schließlich zu einem Drittel von den Bundesländern finanziert.

Der nun ausgebrochene Streit gerade um diesen Punkt ist dabei völlig überflüssig. Die Bundesbildungsministerin ist stocksauer, dass Niedersachsen das freie Geld nicht nur in Schulen und Hochschulen, sondern auch in Kitas stecken will. Warum eigentlich? Wer den Gedanken des Föderalismus ernst nimmt, muss den Ländern diese Freiheit schon erlauben. Der Wettbewerb wird dafür sorgen, dass die Länder, welche die Förderung ihrer Hochschulen zugunsten des Stopfens von Haushaltslöchern vernachlässigen, bei der Qualität ihrer Universitäten schnell zurückfallen werden – mit fatalen Folgen bis hin zum Wettlauf um die besten Fachkräfte für die Betriebe im Land. Wer das erlebt, wird so einen Fehler nicht zweimal begehen.

Man darf anerkennen, dass die Reform in sich schlüssig ist und eigentlich schon zu Zeiten der schwarz-gelben Bundesregierung fällig gewesen wäre. Hier muss man nicht mäkeln. Sorgen bereitet indes eine andere Entwicklung. Der Bund übernimmt immer mehr Leistungen, die von Ländern oder Kommunen erbracht worden sind. Erinnert sei an die Übernahme der kommunalen Kosten für die Grundsicherung im Alter.

Nun also das Bafög. Das ist auch eine logische Folge der Wirkung der Schuldenbremse, die den Ländern in den kommenden Jahren viele Handlungsspielräume nehmen wird. Zurzeit sehen die wachsenden Belastungen auf der Bundesebene nicht dramatisch aus. Aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass Deutschland langfristig und auf Dauer von den angenehmen Effekten der Niedrigzinsphase und eines satt schnurrenden Konjunkturmotors profitieren kann. Nach einer atemberaubenden Rentenpolitik, die nach dem Motto „Beglückung vor Vernunft“ vorging, folgt nun eine rasante Ausweitung einer Sozialleistung.

Die ist – wie gesagt – durchaus begründbar. Aber es geht um Leistungen, die auf Dauer gestellt sind, also auch dann fällig werden, wenn sich die staatliche Einnahmesituation nicht mehr ganz so rosig darstellen wird. Die Schuldenbremse hat Verfassungsrang, daran ist nicht zu deuteln. Irgendwie würde man beruhigter sein, wenn der Staat in seiner gegenwärtigen Politik merken ließe, dass er auch künftige Engpässe im Blick hat. Keine neue Schulden und keine Steuererhöhungen und eine Ausweitung sozialer Leistungen – dieser Dreiklang ist dissonant. In einer solchen Situation kann man sich um mehr Harmonie bemühen – oder sich einfach die Ohren zuhalten.

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