Es ist kompliziert: Das ist der Beziehungsstatus von Ilkay Gündogan und vielen deutschen Fans. Foto: Bongarts

Der DFB hat sich die Entwicklungen und die Unmutsäußerungen im Fall Erdogan durch seine schlechte Krisenpolitik selbst zuzuschreiben, meint unser WM-Reporter Marco Seliger.

Leverkusen - In diesen aufgeregten Zeiten rund um Ilkay Gündogan und Mesut Özil lohnt es sich, mal kurz innezuhalten und sich den Fakten zu widmen. Zwei deutsche Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, bisher ein Musterbeispiel gelungener Integration, posieren mit dem türkischen Präsidenten, einem Autokraten, der westliche Werte mit Füßen tritt und Kritiker einsperren lässt, für gemeinsame Fotos. Eine schier unfassbare, eine dämliche Aktion.

Was die Sache aber hinterher fast noch schlimmer machte, war das öffentliche Krisenmanagement des DFB. Der Verband und die Verantwortlichen der Nationalelf schafften es nicht, Özil und Gündogan zu einer eindeutigen Stellungnahme in der Öffentlichkeit zu bewegen oder sogar härtere Konsequenzen zu ziehen. Stattdessen wollte man die Sache totschweigen und sich aufs Sportliche konzentrieren. Wird schon, spätestens kurz bevor die WM losgeht, wird sich schon keiner mehr darum kümmern. Welch fataler Irrglaube! Auch von den Spielern selbst gab es öffentlich kein klares Schuldbewusstsein oder zumindest mal klare Worte des Bedauerns.

Die Pfiffe von Leverkusen gegen Gündogan am Freitag waren deshalb fast folgerichtig – weil alle Beteiligten zuvor auf echte Aufklärung gepfiffen hatten. Denn wie soll man einen Fehler verzeihen, der öffentlich noch nicht mal klar benannt und eingestanden wurde? Und wie soll man vergeben, wenn es kein eindeutiges Signal der Reue gibt – sondern wie bei Özil nur Schweigen und bei Gündogan nur wachsweiche Bekenntnisse zur Demokratie?

Die Quittung dafür gab es am Freitagabend. Die Pfiffe gegen den deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan bei einem Heimspiel muss man dabei nicht gutheißen – zumal bekannt ist, dass unter den deutschen Fans bisweilen auch Hohlköpfe sind, denen die Mannschaft eh schon mal viel zu bunt ist und die nur darauf warten, ihre rechte Gesinnung bei Länderspielen unters Volk zu bringen.

Die Unmutsbekundungen gegen Ilkay Gündogan nun aber haben sich die Strategen der Nationalelf und die Spieler selbst zuzuschreiben: mit ihrem miserablen Krisenmanagement.