Die Behandlung Suchtkranken in einer Praxis. Foto: dpa

Die versorgung der suchtkranken in Stuttgart läuft seit Jahren auf einen Sotstand zu, kommentiert StN-Titelautor Sven Hahn.

Stuttgart - Dass die Schließung einer einzigen Arztpraxis in einer Großstadt mit mehr als 600 000 Einwohnern zu einem tatsächlichen Problem wird, zeigt, dass es sich bei diesem Schritt nur um die berühmte Spitze des Eisbergs handelt. Das Ende der Behandlung 220 suchtkranker Menschen an der Schwabstraße ist vielmehr ein Problem für die gesamte Stadt, weil die Versorgung der Drogenkranken in der Landeshauptstadt seit Jahren konstant auf einen Notstand zusteuert.

Die Versorgung der Suchtkranken lastet auf den Schultern weniger Ärzte. Knapp 1000 Patienten werden in Stuttgart mit Ersatzstoffen wie Methadon behandelt – diese wichtige Arbeit leisten lediglich acht Arztpraxen. Offene Behandlungsplätze oder freie Arztwahl gibt es nicht. Und: die Ärzte werden älter, Nachwuchs ist nicht in Sicht. Der Grund: die Arbeit mit Suchtkranken ist extrem fordernd, rechtlich komplex und wenig lukrativ.

Für die Patienten bedeutet die Substitution jedoch die Chance auf ein geregeltes Leben inklusive Familie und Job und fern von Kriminalität, Dealern und der Gefahr einer tödlichen Überdosis. Die Behandlung ist mit anderen Worten überlebenswichtig. Daher ist die Schließung der Suchtpraxis an der Schwabstraße für mehr als 200 Menschen in erster Linie eine menschliche Tragödie.

Für die Stadt bedeutet es, dass es höchste Zeit ist, die Behandlung der Drogenabhängigen auf verlässliche Beine zu stellen. Neue Praxen müssen entstehen, auch wenn es vor Ort Proteste geben mag. Zudem muss es gelingen Ärzte für die Suchtmedizin zu gewinnen. Ansonsten wird man sich wohl auf das Entstehen einer offenen Drogenszene einstellen müssen.

sven.hahn@stuttgarter-nachrichten.de