Premiere des neuen Twingo in Genf Foto: dpa

Wie jedes Jahr um diese Zeit ist die Stadt Genf fest in Händen der Automobilkonzerne. Noch bis zum 16. März zeigt die Branche, was sie draufhat. Die Stimmung ist prächtig, obwohl die Autobauer vor großen Herausforderungen stehen.

Stuttgart - Wie jedes Jahr um diese Zeit ist die Stadt Genf fest in Händen der Automobilkonzerne. Noch bis zum 16. März lässt die Branche in den Hallen der Palexpo die Muskeln spielen und zeigt im Scheinwerferlicht, was sie draufhat. Das Repertoire der Premieren reicht vom pfiffigen Kleinwagen Renault Twingo über das elegante Mercedes-S-Klasse Coupé bis hin zum Supersportwagen Lamborghini Huracán LP 610-4 aus dem Hause VW.

In welche Konzernzentrale man auch schaut, die Stimmung ist prächtig. Denn alle Prognosen deuten darauf hin, dass der weltweite Absatz zulegt – getrieben von den Märkten USA und China. Auch in Europa deutet sich erstmals nach der Finanzkrise von 2008 eine nachhaltige Erholung an. Vor allem bei den deutschen Herstellern läuft es wie geschmiert. Mercedes und BMW können gar nicht so viele Autos bauen, wie die Kunden wollen. Sogar Opel hat dank des gefragten Kleinwagens Adam und einer angekündigten Modelloffensive Grund für Optimismus.

Doch die Zuversicht könnte sich als trügerisch erweisen. Die Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen. Stichworte sind der Computer auf Rädern, mehr Modelle in kürzerer Zeit, immer unterschiedlichere Märkte. So warnte VW-Chef Martin Winterkorn auf dem Genfer Autosalon: „Die Erwartungen der Menschen an die Mobilität wandeln sich fundamental, die Wünsche an das Automobil verändern sich immer schneller.“ Wer in dieser Gemengelage die Übersicht verliert, wird untergehen.

Mit Hochdruck arbeiten die Autofirmen deshalb an der Digitalisierung des Cockpits. Die Heizung regeln, Musik hören, mit Freunden Nachrichten und Bilder austauschen, sich zum nächsten Restaurant navigieren lassen – all das soll künftig auch unterwegs möglich sein. Mit Car Play setzt etwa Mercedes auf ein von Apple speziell für das Auto entwickeltes System. Google dürfte mit der Plattform Android bald folgen.

Je nach Lebenssituation und Lifestyle soll das Auto passgenau auf die Kunden zugeschnitten sein. So baut BMW mit dem 2er Active Tourer einen Van mit Dreizylinder und Frontantrieb – früher für die sportliche Marke undenkbar. Weil heute viele Teile der Autos baugleich sind, ist dies zwar mit geringeren Kosten verbunden. Die Gefahr der Kannibalisierung unterschiedlicher Modelle aus dem eigenen Haus bleibt. Beim Zyklus der Erneuerung wächst der Zeitdruck enorm. Kein Kunde würde auf ein neues Smartphone acht Jahre lang warten wollen.

Nicht zuletzt wird der Spagat, den die Autobauer leisten müssen, immer größer. Luxuskarossen, die vor allem bei den Chinesen beliebt sind, haben in den staugeplagten Städten Europas nur noch wenig Chancen. Dort sind sparsame Klein- und Kompaktwagen gefragt, die aber lange nicht so gewinnträchtig sind. Zugleich wird dort das Carsharing immer wichtiger – genauso wie die alternativen Antriebe. Der Markt für E-Autos mag in Deutschland noch klein sein, doch er wird in den kommenden Jahren rasant wachsen.

Die deutschen Hersteller können nur dann erfolgreich sein, wenn sie ihre führende Rolle bei den Innovationen behaupten können. Der Forschungsetat von VW betrug im vergangenen Jahr über zehn Milliarden Euro, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein immer größerer Anteil davon fließt in grüne und Informations-Technologien.

Aber selbst wenn die Automanager die richtigen Entscheidungen treffen, bleiben sie abhängig von der Weltwirtschaft. So hätte etwa ein Krim-Krieg auf die Autoindustrie mit ihrer globalen Verflechtung fatale Folgen. Dann wäre die Zuversicht ganz schnell wieder dahin.

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