Die Industrie im Südwesten läuft unter Volldampf und setzt sich deutlich von auch schon positiven Branchentrend im Bund ab. Die Unsicherheiten der Top-Konjunktur sind aber erheblich, meint Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger
Stuttgart - Wie kaum eine andere Region in Europa profitiert das Land aktuell von seiner klassischen Stärke. Diese liegt in der breit aufgestellten und sehr exportstarken Industrie – insbesondere im Fahrzeugbau, in der Elektrotechnik, im Maschinenbau, in der Chemiebranche sowie bei den Autozulieferern. Die Firmen sind so erfolgreich, dass die Zahlen für Baden-Württemberg sogar noch erfreulicher ausfallen als im Bund. Und dort läuft es schon gut.
Die Industrie wies gerade ihr größtes Auftragsplus seit über vier Jahren aus. Im Südwesten greifen die Firmen mittlerweile zu unkonventionellen Mitteln, um ihre Aufträge abzuarbeiten: Sie arbeiten sieben Tage die Woche rund um die Uhr und setzten noch mehr als sonst auf Aushilfskräfte und Ferienjobber. Grund, sich in die Sommerpause zu verabschieden, gibt es eigentlich nirgends.
Die lupenreine Hochkonjunktur taugt aber nicht für langfristige Aussagen. Zurecht bemerkt Landes-Industriepräsident Hans-Eberhard Koch, dass die Wirtschaft „gedopt“ sei. Der schwache Euro wirkt wie ein Turbo für den Absatz im Nicht-Euro-Land. Niedrige Rohstoffpreise machen viele Vorprodukte billiger und wirken positiv auf die Gewinne der Firmen. Und die niedrigen Zinsen geben der Wirtschaft die Möglichkeit, zu Spottpreisen in Wachstum zu investieren.
Anders ausgedrückt: Den Unternehmen wird es derzeit sehr einfach gemacht, zu glänzen. Dessen muss sich gerade die Industrie, die im harten internationalen Wettbewerb steht, bewusst sein. Innovation und Fachkräftegewinnung müssen weiter im Fokus stehen. Sonst wird aus einem vermeintlichen Vorteil, schnell ein handfester Nachteil. Denn eines ist sicher: Wer sich auf Doping verlässt, vertraut auf Kräfte, die nicht von Dauer sind – und die er alleine nicht aufbringen könnte.