Die EU bleibt auch nach dem Minsker Friedensgipfel vorsichtig, denn man traut Kreml-Chef Putin nicht über den Weg. Foto:  

Was jetzt in der Ukraine passiert, entscheidet sich in Russland, analysiert unser Kommentator Christoph Reisinger.

Was wär das schön, wenn am Samstag endlich Schluss wäre. Schluss mit dem Kämpfen, Morden und Sengen im Osten der Ukraine. Schluss mit dem Abspaltungskrieg prorussischer Rebellen gegen die Zentralregierung, der das Zeug hat, Europas Sicherheitsarchitektur zu erschüttern. Eine grandiose Errungenschaft, von den meisten Staaten Europas und Nordamerikas nach dem Kalten Krieg mühsam aufgebaut. Gerade auch von Russland und der Ukraine.

Daher sind alle Anstrengungen zur Beruhigung der Lage aller Ehren wert. Das gilt nicht zuletzt für den persönlichen Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande. Ein Einsatz, der nebenbei seit langem der erste harte Beleg dafür ist, dass es die deutsch-französische Sicherheitspartnerschaft doch noch gibt.

Aber es gilt eben auch das Wort des polnischen Staatschefs Bronislaw Komorowski, dass es sein russischer Kollege Wladimir Putin sei, der den Schlüssel für Krieg und Frieden in der Hand hält. Schließlich handelt Russland als die militärisch klar dominierende Partei im Konflikt um die Ostukraine.

Für die Wirksamkeit des zweiten Minsker Abkommens heißt das: Der Erfolg hängt ganz und gar von der Interessenabwägung im Kreml ab. Deren Grundlagen sind eindeutig. Der Ausgang ist ungewiss.

Russland läuft bei Fortdauer des Ukraine-Konflikts Gefahr, dass sich die USA viel stärker einmischen werden als bisher. Das erhöht den politischen Preis für seine Aggression im Nachbarland. Ein Hindernis, die Eroberungspolitik fortzusetzen, ist das aber nicht. Schwerer für Russland wiegt das sich vertiefende Zerwürfnis mit vielen europäischen Staaten, die große Handelspartner, viele davon große Energiekunden sind. Die Entfremdung macht den Konflikt auch finanziell zunehmend zur Belastung. Für beide Seiten. Und der Effekt, dass die Ukraine und weitere Ex-Sowjetrepubliken immer heftiger Anschluss an die EU, die Nato oder die USA suchen, ist offenkundig nicht der von Russland gewünschte. Aber ein Zwang, in der Ukraine Frieden zu halten, ergibt sich auch daraus nicht.

Die russische Führung hat ganz offen und mit Ansage einen Weg eingeschlagen, der auf die Veränderung von Grenzen und die Durchsetzung imperialer Ansprüche in Europa gerichtet ist. Die Frage bleibt also: Reicht das Ungemach aus, das Russland durch die verantwortungslose Zündelei in der Ukraine drohen könnte, Putin von diesem Weg abzubringen? Man muss das Prinzip Hoffnung schon arg strapazieren, um davon auszugehen.

c.reisinger@stn.zgs.de