Der Süden profitiert vom Ausbau der Stromtrassen am meisten - Horst Seehofer stellt sich dennoch quer Foto: dpa

Der Süden profitiert vom Ausbau der Stromautobahnen am meisten. Das muss auch Baden-Württemberg und Bayern etwas wert sein, findet unser Kommentator Markus Grabitz.

Stuttgart - In Baden-Württemberg und Bayern ist ja die Ansicht verbreitet, der Südwesten und der Süden zahlten im Vergleich zum Rest der Republik permanent drauf. In manchen Bereichen, so etwa bei der Verteilung des Steueraufkommens, mag da sogar etwas dran sein. Die ständigen Klagen über den Länderfinanzausgleich sind allerdings nur eine Seite der Medaille.

Im Bereich der Energieversorgung haben Schwaben und Bayern aber zum Beispiel überhaupt keinen Grund, sich zu beschweren. Dass die Strompreise im Süden der Republik nicht noch höher sind, dafür könnte, dafür müssten der Südwesten und der Süden dem Norden Deutschlands dankbar sein.

Darauf darf anlässlich der Debatte um den weiteren Ausbau der Stromautobahnen (Netzentwicklungsplan) hingewiesen werden. Die Energiewende ist eingeleitet. Der Umbau der Erzeugungskapazitäten mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Zubau von Grünstrom ist in vollem Gang. Ob man es mag oder auch nicht, es hat bereits heute Folgen für den Strommarkt. Davor sollte man in den industriellen Schwerpunkten südlich des Mains – also Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – nicht die Augen verschließen.

Zum einen: Am billigsten lässt sich Strom im Norden der Republik produzieren. Das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben: An der Küste stehen die Windmühlen, die höchste Wirkungsgrade erzielen. Und wenn der Wind nicht weht, springen die Kohlekraftwerke an, die mit der billigen Braunkohle befeuert werden. Diese stehen vor allem in Ostdeutschland. Zudem fließt preiswerter Strom aus skandinavischer Wasserkraft nach Norddeutschland. Im Süden der Republik dagegen werden in den nächsten Jahren die letzten Atomkraftwerke stillgelegt, die noch günstigen Strom liefern. Und Strom aus dem Abfackeln von Gas zu produzieren ist nun einmal sehr teuer.

Zum anderen: Der vergleichsweise günstige Strom aus dem Norden muss in den Süden gelangen. Dafür müssen neue Leitungen gebaut werden. Das Geld dafür wird über den Strompreis bei allen Verbrauchern eingesammelt. Das heißt: Alle Stromverbraucher in Deutschland zahlen über Aufschläge auf ihren Strompreis den laufenden und den künftigen Ausbau der Stromautobahnen in den Süden mit. Um es auf den Punkt zu bringen: Bayern und Baden-Württemberg sind die Bundesländer, die von dem ehrgeizigen Ausbauprogramm der Stromautobahnen am meisten profitieren.

Daher ist es auch so abwegig, dass der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sich querstellt und den dringend notwendigen Ausbau der Stromautobahn aus Sachsen-Anhalt quer durch Thüringen in die Nähe des Atomkraftwerkes Gundremmingen blockiert. Der Stromkunde im Süden kann durchaus in den nächsten Jahren weiterhin Zugang zum vergleichsweise günstigen Strom aus Norddeutschland haben. Aber eben nur, wenn dafür die Leitungen gebaut werden. Andernfalls würden im Süden und Südwesten der Republik zwar nicht die Lichter ausgehen. Die Versorgungssicherheit wäre wohl nicht gefährdet. Es würde nur im Süden deutlich teurer, den Lichtschalter anzuknipsen. Da Energiepreise ein wichtiger Kostenfaktor in der Industrie sind, geht es letztlich um die Wettbewerbsfähigkeit von Daimler, Bosch, BMW und Siemens. Es wird höchste Zeit, dass Seehofer seinen Irrtum erkennt und den Weg frei macht für den Bau der wichtigen Stromleitungen. Die ganze Nation ist darauf angewiesen.