Hätte wissen können, dass zweimal wählen verboten ist: „Zeit“-Chefredakteur di Lorenzo Foto: dpa

Man muss nicht, wie „Zeit“-Chefredakteur di Lorenzo, Politik studiert haben, um zu ahnen, dass es kein Zweiklassenwahlrecht gibt – ein doppeltes für EU-Bürger mit zwei Pässen und ein einfaches für den Rest.

Stuttgart/Hamburg - Eines kann man Giovanni di Lorenzo nicht unterstellen: dass er am Wochenende wahlmüde gewesen ist. Erst ging der Chefredakteur der „Zeit“ am Samstag im italienischen Konsulat wählen, tags darauf gab er in einem deutschen Wahllokal seine Stimme für die Europawahl ab. Als deutscher und italienischer Staatsbürger konnte er das. Durfte er das auch? Natürlich nicht. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament darf jeder EU-Bürger nur einmal wählen. Das war immer schon so, und darauf hat die „Zeit“ in ihrer Online-Ausgabe wenige Tage vor der Wahl sogar eigens hingewiesen. Doppelstaatler müssen sich entscheiden, bevor sie abstimmen. Wer mehrmals wählt, wählt „unbefugt“. Das ist keine Bagatelle, sondern fällt unter das Strafrecht.

Di Lorenzo wusste das nach eigenem Bekunden nicht. Dafür spricht, dass sich der prominente Doppelstaatler am Sonntagabend vor einem Millionen-Fernsehpublikum als Doppelwähler selbst outete. Wenn es aber kein Vorsatz war, dann war es grenzenlos naiv. Man muss nicht, wie di Lorenzo, Politik studiert haben und regelmäßig mit Helmut Schmidt über die Weltpolitik sinnieren, um zu ahnen, dass es in der Europäischen Union kein Zweiklassenwahlrecht gibt – ein doppeltes für EU-Bürger mit zwei Pässen und ein einfaches für den Rest. Oder wie es die baden-württembergische Landeswahlleiterin Christiane Friedrich ausdrückt: „Dass man bei der Europawahl nicht zweimal wählen kann, müsste eigentlich jedem klar sein, der ein bisschen nachdenkt.“

Darauf sollte man sich jedoch nicht verlassen, wie das blamable Beispiel di Lorenzos zeigt. Folglich muss darüber nachgedacht werden, wie der Missbrauch des Wahlrechts verhindert werden kann. Vom Chefredakteur der „Zeit“ darf man dazu substanzielle Vorschläge erwarten.