Mit einem Plakat auf dem Rücken versucht ein Teilnehmer der Koran-Verteilaktion „Lies“ die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die „Lies“-Kampagne wird von radikalen Salafisten organisiert und von Polizei und polizeilichem Staatsschutz offen und verdeckt überwacht Foto: dpa

Der Fall Giulia W. steht für extreme Auswüchse des Salafismus, sagt unser Chefredakteur Christoph Reisinger: Er zeigt, wie weit die politische Gewaltideologie schon in die Gesellschaft hineinreicht.

Stuttgart - Was für ein Drama, was für ein Finale: Endlich sind die junge Tübingerin Giulia W. und ihr Baby in Sicherheit, die vom Schweizer Gatten ins mörderische Getümmel des Syrien-Kriegs verschleppt worden waren.

Recht hat, wer auf das Absonderliche dieses Falls verweist. So schrecklich mit der eigenen Familie umzuspringen, wie es der El-Kaida-Kämpfer getan hat, ist selbst unter seinesgleichen nicht gerade alltäglich.

Und doch steht dieser Vorgang für einen Trend. Zeigt er doch, wie weit der als politische Gewaltideologie daherkommende Salafismus punktuell schon in die Gesellschaft hineinreicht. Immerhin entstammen weder Ehefrau noch Ehemann randständigen Familien in Baden-Württemberg und der Schweiz.

Wie sickert die Ideologie in Baden-Württemberg ein?

Die Zugkraft des militanten Salafismus ist umso verstörender, als diese Spielart des Islamismus unter den Muslimen als abseitige Randströmung gilt und ihre Verfechter als das, was sie sind: Schwerkriminelle.

Umso drängender stellt sich die Frage, wie diese Ideologie nicht zuletzt in Baden-Württemberg einsickert. Und umso fester steht, wie falsch die Verharmloser dieses vordergründig religiösen, in seinem Kern zutiefst politischen Phänomens liegen. Und wie richtig jene, die wie Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall entschlossen sind, diesem Phänomen schon weit im Vorfeld seiner kriminellen Auswüchse die Stirn zu bieten.

Eine Aufgabe übrigens, deren Bewältigung nicht allein den Behörden obliegt. Gegen den Salafismus Standpunkt beziehen, das geht auch am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sport- oder im Moscheeverein. Und auch das gehört zu seiner Bekämpfung: sauber zu unterscheiden zwischen Muslimen an sich und Muslimen, die Frau und Kind in Geiselhaft nehmen.