Schnell ein Selfie gemacht und dann am Smartphone nachbearbeitet: Jeder kann sich selbst hübscher machen. Foto: dpa

Mit der richtigen App kann jeder schön für die sozialen Medien werden. Wer’s auf dem Smartphone jedoch übertreibt, erntet Spott. Dem Stuttgarter Cavos-Wirt reicht das digitale Aufhübschen nicht. Er schwört auf Botoxspritzen.

Stuttgart - Wenn Hiki Shikano Ohlenmacher, Betreiber des Partygriechen Cavos, vom Botoxspritzen kommt, „ist das Gras bissle grüner und der Himmel bissle blauer“. Seit Jahren geht er regelmäßig zum Schönheitschirurgen. Die 400 Euro teure Behandlung schmerze dank dünner Nadel so gut wie gar nicht. Der Faltenkiller aus der Kanüle, sagt der Wirt, vertreibe nicht nur Spuren des Alterns, nein, er löse auch Glücksgefühle aus. „Früher wollten mir Ärzte das nicht glauben“, sagt der gebürtige Japaner, „aber heute gibt es Studien darüber.“ Auch die Stuttgarter Veranstalterin Sandra Vogelmann gönnt sich einmal im Jahr eine Botox-Spritze. „ Die wirkt bei mir so entspannend wie eine Kopfmassage“, sagt sie.

Die Haut wird fein wie Porzellan

Menschen wollen glücklich sein – und schön. Das eine hängt oft vom anderen ab. Wer zornig auf seine Zornesfalte ist und sich den Mitmenschen lieber happy, strahlend und faltenlos präsentieren will, muss sich in der digitalen Zeit nicht mal vom Beauty-Doc für ein paar Hunderter piksen lassen. Die richtige Beauty-App des Smartphones tut’s auch. Die Auswahl ist enorm, um sein Selfie zu optimieren. Wer seine Fotos durch die Handy- Software jagt, hat keine Pickel mehr, die Nase wird dünner, die Haut wird fein wie Porzellan. In den sozialen Medien posten User ihre aufgehübschten Versionen, was sie mindestens so glücklich macht wie Cavos-Wirt Hiki eine Botox-Ration.

Schlank, schmales Gesicht, schmale Nase, große Augen, faltenfrei: Die neuen Technologien verfestigen ein immer gleiches Schönheitsideal. Die standardisierten Beauty-Filter schaffen ein Bild von Makellosigkeit, das austauschbar ist. Weil so viele Menschen die Apps benutzen, erhöht sich der Druck auf den Einzelnen, beim Wetteifern um ein möglichst attraktives Äußeres mitzuhalten.

Ach, ist der aber alt geworden!

Wem ist geholfen, wenn man sich bei Tinder, Instagram oder Facebook viel schöner macht, als man in Wahrheit ist? Ein Selfie, das sich dank der Smartphone-Technik von der Realität entfernt, mag zwar im digitalen Profil Neugierde wecken oder Bewunderung auslösen. Doch dann kommt es zum analogen Rendezvous. Und das holde Engelein sieht aus wie ein arg verrupftes Teufelchen. Und tschüss!

Da denkst du, wenn du einen Schulfreund nach langer Zeit triffst und du sein schönes Insta-Porträt im Kopf hast, ach, ist der aber alt geworden! Doch wer spricht immer aus, was er so denkt? Deshalb aufgepasst, liebe Freundinnen und Freunde der Beauty-Apps! Wer es übertreibt beim Schummeln, erntet Spott – und merkt es meist nicht mal. „Hast du den Post von XY gesehen?“, chattet mich regelmäßig ein Facebook-Kumpel an. Und wir lästern, wie XY auf dem Foto mit unnatürlicher Haut wie eine Barbiepuppe aussieht oder wie ein Außerirdischer in „Star Trek“.

Für jeden Schönheitswunsch gibt’s einen Filter

Selbstverliebtheit erschafft Maskengesichter. Für jeden Schönheitswunsch gibt’s einen Filter und Weichzeichner. Bei einer Hochzeit erzählte ein Pfarrer vom Sommerurlaub mit den Kindern in Marokko. Natürlich wurden Selfies gemacht. Auf einem, dachte er, ist er gut getroffen. Daheim meinte ein Kollege, dieses Foto könne besser sein. Er jagte die Aufnahme durchs Korrekturprogramm seines Handys. Falten, Hautfarbe, Doppelkinn und Zähne werden blitzschnell korrigiert. Der Pfarrer blickte in ein wunderbar perfektes Antlitz und wusste doch: Das bin ich nicht!

Perfekt aussehen muss nur, wer etwas zu verbergen hat. „Eine perfekte Ehe kann es nicht geben“, sagte der Pfarrer. Perfekte Menschen sollten uns suspekt sein! Viel sympathischer ist, zu seiner Unvollkommenheit zu stehen – soll der Liebe ziemlich gut tun, wenn ein Paar über die Fehler des anderen auch mal gemeinsam lachen kann.

Man braucht Stoff zum Spotten

Selfies sind nicht mehr aus der Welt wegzudenken. Es ist schön, wenn man im Netz am Leben seiner Freunde teilhaben kann. Selfies dienen obendrein der Werbung. Tricksen kann eine Kunst sein. Nicht generell gehören Illusionen verdammt. Man darf nur nicht merken, wo geschummelt worden ist. Nur dann wirkt der Zauber. Nur dann wird das Gras bissle grüner und der Himmel bissle blauer.

Und ein bissle Stoff zum Spotten brauchen wir ja auch.