Mit neuen Mitteln gibt es neue Lösungen – und neue Probleme. Foto: dpa

Wer mit behinderten Menschen lebt, der weiß: Die Idee vom planbaren, gesunden Leben erzeugt Druck, sagt unsere Kolumnistin Katja Bauer.

Berlin - S - Schwangere können heute ab der zehnten Woche mit einem Bluttest feststellen lassen, ob ihr Kind das Downsyndrom haben wird. Der Test kostet 200 Euro – bisher trägt die Kosten die Patientin. Das soll sich ändern, wenn es nach dem Gemeinsamen Ausschuss von Kassen, Ärzten, Krankenhäusern geht. Das Gremium hat nun vorgeschlagen, dass die Kasse in Risiko- und Verdachtsfällen die Kosten übernehmen soll.

Das mag auf den ersten Blick nach einer guten Nachricht klingen, nach medizinischem Fortschritt und einer gerechten Lösung. Aber glücklicherweise hat der Bundestag erkannt, wie komplex und schwerwiegend die ethischen Fragen sind, die sich mit der wachsenden Zahl der vorgeburtlichen Untersuchungen verknüpfen. Immer mehr können Eltern über die möglichen Anomalien, Erkrankungen, Behinderungen ihres ungeborenen Kindes wissen – die Untersuchungsmethoden werden immer risikoärmer, billiger und früher anwendbar.

Es gibt keine einfache Lösung

Das aktuelle Beispiel des Tests zu Trisomie 21 – also dem dreimaligen Vorhandensein des Chromosoms 21, das zum Downsyndrom führt – zeigt sehr eindrücklich, dass es keine einfache, vielleicht sogar keine gute Lösung in dieser Frage geben kann. Denn schon lange können Eltern mit einer Fruchtwasseruntersuchung testen lassen, ob das Kind Trisomie 21 haben wird. Diese Untersuchung wird schon jetzt von den Kassen getragen. Sie findet allerdings später in der Schwangerschaft statt, sie erhöht das Risiko einer Fehlgeburt, sie ist teurer.

Da in Deutschland keine Statistik zu Menschen mit Trisomie 21 existiert, kann man nur Schätzungen und Aussagen von Experten zurate ziehen – und sie sagen: Seit es die Tests gibt, entschließt sich die weit überwiegende Mehrheit der Eltern im Fall einer Trisomie 21 zum Abbruch der Schwangerschaft, immer weniger Menschen mit Down-syndrom kommen hier zur Welt. In anderen Ländern werden Zahlen erhoben, zum Beispiel in Dänemark, wo der Staat Eltern seit 15 Jahren einen kostenlosen Blut- und Ultraschalltest zu einem frühen Zeitpunkt anbietet. Seitdem ist die Zahl der Menschen, die mit Downsyndrom auf die Welt kommen, im unteren zweistelligen Bereich.

Der druck wächst mit dem medizinischen Fortschritt

Mit dem medizinischen Fortschritt, den wir an vielen Stellen herbeisehnen und der Leid verhindern kann, wächst der Druck, Entscheidungen zu treffen, vor die Menschen bis vor kurzer Zeit nicht gestellt waren. Diejenigen, die polarisiert über dieses schwierige Thema sprechen, reden vom Einstieg in die moderne Form der Selektion. Das sagt sich leicht. Aber viel schwerer wird es sehr schnell: nämlich dann, wenn man als werdende Eltern überlegen muss, welchen Test man machen soll und wie man eigentlich dann ganz konkret auf die Erkenntnisse aus der Untersuchung reagiert. Und da ist man am Ende ziemlich alleine mit einer Frage, die beantworten zu müssen sich keiner wünscht. Man tut gut daran, sich hier kein Urteil über die Entscheidungen anderer anzumaßen.

Aber wenn pränatale Diagnostik jeder Art zu einer Art Regelfall wird, dann wird der gesellschaftliche Druck auf Paare unermesslich. Dann wird sich sehr schnell kaum noch die Frage stellen, ob man zum Beispiel entscheiden darf, es eben vorher nicht wissen zu wollen. Weil man vielleicht daran glaubt, dass es inhuman ist, das Leben als im Idealfall durchoptimierbar und fehlerfrei zu betrachten, weil man nicht glaubt, dass ein Mensch bestenfalls aus der Summe perfekt konfigurierbarer Parameter besteht.

Aber die Gefahr ist real, dass Menschen sich rechtfertigen müssen, behinderte Menschen in die Welt zu setzen. Wenn dieser Druck sich entfaltet, dann wird es immer schwer, unser Menschenbild aufrechtzuerhalten, wonach die Würde eines Menschen nicht von der Frage abhängt, ob er mit zwei oder drei gleichen Chromosomen auf die Welt kommt.

Vorschau
Am kommenden Dienstag, 2. April, schreibt an dieser Stelle unsere Kolumnistin Sibylle Krause-Burger.