Gino Emnes, der Hauptdarsteller des Apollo Creed in „Rocky“ Foto: Stage Entertainment

Wie sexistisch ist eine männliche Brustwarze, die in Großaufnahme gezeigt wird? Um Frauen ins Musical zu locken, setzt das Stuttgarter Musical „Rocky“ in der Werbung verstärkt auf Nacktes.

Stuttgart - Seine Anzüge sitzen perfekt. Zum bestangezogenen Mann Deutschlands ist Bundesjustizminister Heiko Maas vom Magazin „GQ“ gekürt worden. Dass sich die Medien damit befassen, wie er gekleidet ist, hat ihm nicht gefallen. Es komme auf politische Inhalte an, nicht auf die Verpackung, sagt der SPD-Politiker. Was ihn vielmehr umtreibt, sind Frauen, die gar nicht bekleidet sind – jene auf Plakatwänden, denen er den Kampf angesagt hat.

Sein Vorstoß, sexistische Werbung zu verbieten, gefällt nicht allen. FDP-Chef Christian Lindner sagte, der Kollege Maas sei ein Spießer. Und Stephan Vogel, der Präsident des Art Directors Club (ADC), warnt vor einem „Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit“. Schließlich habe das Land den Werberat, der Slogans wie „Scharfe Kurven“ oder „Bock auf Ballern“ gerügt habe, also auf den Plan trete, wenn Diskriminierungen, die auf das Geschlecht (lateinisch:  sexus) bezogen sind, geahndet werden müssten.

Das Boxer-Musical ist angeschlagen

Würdigt nackte Frauenhaut die Frauen herab? Werden sie auf ihren Körper reduziert? In der Debatte um frauenfeindliche Werbung taucht der Mann meist nur als Konsument auf. Von männerfeindlichen Werbung ist nichts zu hören. Jetzt aber zieht in den sozialen Netzwerken ein Reklamespot Kreise, bei dem ein Mann zum Lustobjekt wird. Bisher ist der Aufschrei ausgeblieben. Was man hört, ist allenfalls der Hit „Eye of the Tiger“. Es handelt sich um Werbung für „Rocky“.

Das Boxer-Musical ist wenige Monate nach seiner Stuttgart-Premiere angeschlagen. Dass die Auslastung im Palladium-Theater nachlässt, so haben die Marketing-Strategen der Stage Entertainment herausgefunden, liegt vor allem an den Frauen. Die Frauen sind’s, die das Ausgehverhalten der Deutschen entscheidend bestimmen. Wenn sie ein Musical sehen wollen, machen sie solange Druck, bis der Gatte bereit ist, mitzugehen und im besten Fall alles zu zahlen.

Bei „Rocky“ aber machen die Frauen wenig Druck. Obwohl es eine Liebesgeschichte gibt, bei der am Ende ein Boxring spektakulär in den Saal geschoben und dann geküsst wird. „Rocky“ ist eine deutsche Eigenproduktion der Stage, weshalb keine teuren Lizenzen fällig werden. Dies sei der Grund, hört man bei den Musicalmachern, warum man in Stuttgart bisher keine Verluste einfährt, obwohl viel weniger Zuschauer zu „Rocky“ kommen als zu „Tarzan“ gegenüber. Fürs Urwald-Musical müssen so hohe Gebühren an Disney bezahlt werden, dass der Gewinn für die Stage an manchen Tag geringer ist als bei „Rocky“, wenn dort der Saal nicht voll ist.

Ist das gar männerfeindlich?

Die neue „Rocky“-Werbung will Frauen neugierig zu machen. Am Anfang wird eine Frage groß eingeblendet: „Hast du schon mal einen Boxkampf gesehen, bei dem Frauen regelmäßig Zugaben verlangen?“ Die Kamera zeigt den nackten Oberkörper des Gino Emnes und zoomt sogleich den Hauptdarsteller des Apollo Creed heran – aber nicht seinen Kopf. Das Objektiv geht immer näher ran, bis man am Ende nur noch eine der beiden Brustwarzen von Apollo Creed sieht – darauf verweilt dann die Kamera.

Verehrter Herr Minister Maas, sind männliche Brustwarzen, die in Großaufnahme gezeigt werden, sexistisch? Oder gar männerfeindlich?

Gemach! In diesem Fall muss der Werberat nicht einschreiten. Wenn Werbung gut gemacht ist wie der „Rocky“-Spot, sehen wir Männer ausnahmsweise darüber hinweg, wenn ein Geschlechtsgenosse ’nen besseren Body hat als wir. Am wichtigsten bei Werbung ist, dass sie kreativ und überraschend ist – dann nimmt man sogar nackte Haut billigend in Kauf.