„Bist du auch gut eingecremt?“ Mit solchen Fragen an das Baby zweifeln Fremde durch die Blume die mütterliche Kompetenz unserer Kolumnistin an. Foto: Aleksey Ipatov / Adobe Stock

Wenn man mit Kindern unterwegs ist, geben fremde Menschen gern ungefragt Ratschläge. Das nervt, sagt unsere Kolumnistin.

Stuttgart - „Die ist ja freundlich!“, „Mädchen oder Junge?“, „Wie alt ist es denn?“ Seit ich als Mutter durch die Welt gehe, komme ich ganz einfach mit Menschen ins Gespräch. Der Anblick eines Kleinkindes – umso jünger, umso besser – scheint die Herzen, vor allem aber die Münder der Menschen zu öffnen: Man bekommt Komplimente für den Nachwuchs oder dessen Kleidung, erfährt Geschichten fremder Kinder und Enkelkinder, beantwortet in Dauerschleife Fragen zu Alter und Geschlecht der Tochter oder des Sohnes. Das ist manchmal etwas nervig, aber überwiegend Balsam fürs Mutterherz. (Auch wenn es in den Gesprächen natürlich nie um mich geht – aber das tut es ja ohnehin nicht mehr seit ich Mutter bin.)

Aber es gibt auch noch die andere Seite: Ich bekomme nämlich auch jede Menge ungewollte Ratschläge. „Sie sollten dem Kind ein Mützchen aufziehen!“, „Wissen Sie denn nicht, dass man immer rückwärts mit Kinderwagen in den Bus einsteigt, weil sonst das Kind herausfällt!?“ sind solche Belehrungen, die direkt an mich gerichtet sind.

Schön auch, wenn die Menschen – übrigens überwiegend ältere Frauen – sich direkt an das einjährige Baby richten: „Bist du denn auch gut eingecremt bei der Hitze?“, „Darfst du denn schon ein Eis essen!?“ sind solche rhetorischen Kniffe, um durch die Blume meine Kompetenz als Erziehungsberechtigte anzuzweifeln. Wenig hilfreich auch die Tipps bei Trotzanfällen: „Nun gönnen Sie dem Kind doch noch einen Keks!“ Nein, es hatte schon die halbe Packung!

Mützchen und Jäckchen-Terror

Schon klar: Ist ja alles nur gut gemeint. Und: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ sagt ein Sprichwort. Aber eigentlich bin ich mal sehr bewusst in die Stadt gezogen, weil ich genug vom Dorf hatte. Und wie würden wohl die selbst ernannten Erziehungsberaterinnen reagieren, würde ich mich so ungefragt in ihr Leben einmischen? Also die übergewichtige Frau fragen, ob sie denn wirklich noch ein Eis essen sollte. Oder die Frau mit dem Sonnenstudio-Gesicht, warum sie sich denn nicht ordentlich einschmiert?

Vielleicht nervt mich die Einmischerei auch deshalb, weil sie mich, die ohnehin in vielen Situationen unsichere Mutter, noch mehr verunsichert. (Und weil wir ja ohnehin in einer Zeit leben, in der keiner mehr so richtig weiß, wie eigentlich Erziehung geht.) So hat der Mützchen- und Jäckchen-Terror – auch meine eigene Großmutter behauptete ständig, das Baby sei zu leicht angezogen– zum Beispiel dazu geführt, dass ich mein erstes Kind eigentlich permanent zu warm eingepackt habe.

Ich will selbst entscheiden, wann ich Hilfe brauche

Mein Sohn war schon als Säugling ein echtes Schwitzkind. Heute ist er fünf Jahre alt und trägt im Winter zwei Schichten weniger als ich. Aber als er sich noch nicht wehren konnte, traute ich mich aus Furcht vor den missbilligenden Blicken anderer Menschen kaum, ihm Kopfbedeckung und Jacke auszuziehen. Wahrscheinlich schrie das Kind auch deshalb so oft in seinem Wagen, weil es ihm einfach viel zu heiß war.

Nicht falsch verstehen: Ich halte mich als Mutter nicht für unfehlbar. Ich bin dankbar für jeden guten Tipp erfahrener Eltern und Großeltern. Ich lese gern in klugen Mütter-Blogs und manchmal sogar in einem Erziehungsratgeberbuch. Und sollte ich jemals tatsächlich grob fahrlässig mit meinen Kindern umgehen: Schreiten Sie bitte ein!

Bis dahin allerdings würde ich gern selbst entscheiden, wann ich Hilfe brauche – und wann nicht.

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Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Kinder, Kessel und mehr.